Szene: Studioreport Messiah

07. März 2020, Ormalingen – Little Creek Studio
Text & Pics by Oliver H.
 
Studio-Besuch bei MESSIAH.



«Choir Of Horrors» und «Rotten Perish» sind die Aushängealben der Schweizer Thrash Metal Legenden Messiah. Zum Material, das vorher und nachher gepresst wurde, sind auch die Bandmitglieder unterschiedlicher Auffassung. Jetzt zählen wir aber das Jahr 2020 und nach 26 Jahren der Stille lebt der „Messias“ wieder auf. Das Quartett um R.B. Brögi (Gitarre), Patrick Hersche (Bass), Steve Karrer (Drums) und Andi Kaina (Vocals) hat wieder richtig Bock Musik zu machen, und aktuell sind sie im "Little Creek Studio", um eine neue Scheibe einzuspielen.
Ich liess es mir nicht nehmen, während einer Studiosession vorbei zu schauen und mir vor Ort ein Bild über den Fortschritt der Platte zu machen.

Pünktlich um 14:00 Uhr bog ich um die Ecke des "Little Creek Studios" von der Schweizer Musiker- und Produzentenlegende V.O. Pulver (GURD, Poltergeist), als mich draussen bereits ein gut gelaunter Steve erwartete. Er zeigte mir erst einmal den Raum, in dem er erst vor kurzem seine Drum-Parts eingespielt hatte und die Basler Metaller GURD (bei denen Steve aktuell auch trommelt) ihren Proberaum haben. Anschliessend betraten wir das Herzstück des Studios, in dem Brögi konzentriert seine Gitarrenparts Stück für Stück einspielte. Was es da bereits zu hören gab, klang schon ganz vielversprechend. Da dieselben Riffs über mehrere Spuren eingespielt wurden, konnte ich die restlichen Mitglieder darüber ausquetschen, was sie die letzten dreissig Jahre so gemacht haben und wie es schliesslich zu dem Punkt kam, an dem sie jetzt stehen. Kaum hingesetzt, ging auch schon die Tür auf und Sänger Andi betrat mit Mundschutz das Studio. Er erklärte den Anwesenden, dass er sich nicht fit fühle und er deshalb kein Risiko eingehen wolle. Nach langem Hin und Her nahm er schliesslich die Maske vom Gesicht, liess sich aufs Sofa fallen und lachte dreckig. Nun waren sie – Messiah – komplett im Studio.

Ihr letzter gemeinsamer Auftritt fand 2003 statt. Im Anschluss gingen alle Mitglieder eigene Wege. Sänger Andi und Gitarrist Brögi zogen sich ins Privatleben zurück und hatten die Musik an den Nagel gehängt. Steve und Patrick hatten ihre eigenen Projekte am Laufen, waren musikalisch aber immer aktiv. 2017 wurden sie von Amadé (MegaMosh Festival) angefragt, ob sie nicht an seinem Festival „Undercover“ ein paar Songs spielen könnten und wurden zum bestehenden Billing hinzu gebucht. Dazu kam noch ein „Undercover“ Gig in Chur, Daniel Appert (Messiah Manager in den 90ern) zuliebe. Durch diese Auftritte entstand neue Energie in der „Band“, die zu der Zeit gar keine Band mehr war.

Roger Wicki, langjähriger Fan, guter Freund und nun der Manager der Band, investierte viel Zeit in Facebook-Auftritte, kreierte und verkaufte Merch und brachte neuen Schwung in den Laden. Die Band hat dazu eine geschlossene Haltung: "Ohne Roger wären Messiah jetzt nicht da, wo wir heute sind! Wir haben ihm viel zu verdanken und er ist unser fünftes Bandmitglied"

So geschah es, dass 2018 die ersten Konzertanfragen aus dem Ausland eintrafen. Erfolgreiche Auftritte an Festivals in Belgien oder Tschechien mit bis zu 15'000 Besuchern folgten. Eine Bedingung beim Bandmeeting für eine Reunion im Januar 2018 war, an neuem Material zu arbeiten. Das brachte allerdings auch Probleme und Unsicherheiten mit sich. Andi war skeptisch und wusste nach dreissig Jahren ohne Übung nicht, ob seine Stimme diese Strapazen noch mitmacht. Er kramte die alten Alben hervor und übte fleissig die Songs während der Fahrt zur Arbeit. Die anderen Autofahrer schauten zeitweise komisch, wenn er wild gestikulierte und sich dabei die Kehle aus dem Hals schrie.

Bei Brögi war es ähnlich. Steve beschreibt die Situation so: "Es ist, als hätten wir unseren Gitarristen vor dreissig Jahren eingefroren und nun wieder aufgetaut." Angespornt durch den Spass und die neuen Ziele, präsentierte er innert Kürze an die zwölf neuer Riffs und Songstrukturen. Mit der Zeit wuchsen die vier Herren wieder zu einer Einheit zusammen, die Sinn und Spass in ihrem Tun sahen. Ihre Devise ist jedoch klar! Privates kommt vor dem Rockstarleben. Zuviel Zeit ist vergangen, sodass sich alle ein Leben nebst der Musik aufgebaut haben.

Jetzt aber wieder zum kommenden Album! Was darf denn an dieser Stelle schon ausgepackt werden und was nicht? Das Albumkonzept steht, den Titel gibt es auch schon, darf aber derzeit noch nicht verraten werden. Am Coverartwork werkelt fleissig Björn Goosses von "Killustrations", der bereits eine Menge von geilen Plattencovern gefertigt hat.

Messiah haben bereits im August 2019 vier neue Tracks eingespielt und jetzt im März 2020 noch weitere sechs. Die Zusammenarbeit mit V.O. Pulver wurde den drei Messianern mehr oder weniger von ihrem Drummer Steve aufgezwungen, da er in den letzten Jahren sehr gute Erfahrungen mit seinem Bandkollegen und Produzenten gemacht hat. Gesagt, getan! In den ersten Tagen wurden von Steve die Drums eingespielt und den Songs Struktur verliehen. Abwechselnd spielten dann Brögi die Gitarren- und Patrick die Bassparts ein. Von zehn satten Tracks sind bis dato die Basics bereits im Kasten und die Tage wird Andi noch die Vocals einsingen. Vermutlich werden es aber nicht alle zehn Songs aufs neue Album schaffen, da einige Titel relativ lang (neun Minuten) sind und somit die Gesamtgrösse des Datenträgers gesprengt würde. Messiah haben zurzeit noch keine definitive Auswahl der Songs getroffen, es wird wohl eine Sache des Bauchgefühls. In den nächsten Tagen werden noch die Specials wie Solos und andere Gimmicks auf „Band“ gebannt.

Was Fans der ersten Stunde mit Sicherheit freuen wird, ist die Tatsache, dass Messiah klingen werden wie Messiah. Es gibt keine Experimente oder grosse musikalische Veränderungen. Ihr Sound besitzt Wieder-erkennungswert. Wie bereits kurz angedeutet, „eingefroren und wieder aufgetaut“. Die Platte beinhaltet einen Querschnitt über alle Alben, «Underground» aber ausgenommen. Andi sagt über die Art der Vocals, dass er in den 80/90er Jahren gesanglich hängen geblieben sei, dies aber perfekt zum Sound des Vierers passt. Dennoch wird die Scheibe frischer und technisch versierter klingen als noch 1994, da die Aufnahmetechnik massive Sprünge gemacht hat in den 26 Jahren. Sobald die noch ausstehenden Teile im Kasten sind, geht es ans Mixen und Mastern. Die Daten müssen bis Ende April fertiggestellt sein, da es ansonsten knapp wird für die Pressung des Vinyls. Das heisst also schon mal Vorfreude für alle, die sich die neue Scheibe als Platte zulegen wollen. Für den Rest wird es das neue Material auch als CD und als Download geben. Vertrieben wird das künftige Werk über High Roller Records. Die "Record Release Show" findet am 12. September im Kiff, Aarau statt und der Ticketverkauf ist bereits gestartet.

Jetzt heisst es nur noch warten und Däumchen drehen, bis der Tag X ansteht. Ich für meinen Teil freue mich tierisch darauf, da ich einen Vorgeschmack in Form eines neun Minuten-Tracks erhalten habe! Real Thrashing Madness pur! Stay tuned!