Klassentreffen im OldCapitol in Langenthal. Einerseits, weil China sich mit zwei Gastmusikern die Ehre gaben und andererseits, weil die Evergreens der Chinesen immer wieder vom Publikum lautstark mitgesungen wurden. Die Jungs um Gitarrist Claudio Matteo versprühten insbesondere eins. Verdammt viel Spass und Freude. Etwas, das sich sofort auf die Besucher übertrug und am Ende des Konzertes zu einer ausgelassenen Achtziger-Party führte.
China
Ohne Vorband, was in meinen Augen auch nicht nötig war, stiegen Claudio (Gesang und Gitarre), Freddy Scherer (Gitarre), Marc Lynn (Bass) und Ralph Tosoni (Drums) in das Geschehen ein. Die ersten Songs wurden von Claudio gesungen und überraschenderweise wählte man den neuen Hit «Ran Out Of Love» als Opener. Auf der Bühne präsentierte sich dabei kein grosses Schnickschnack, sondern man sah eine Band die Musik lebt, zelebriert und geniesst. Frei nach dem Motto "let the music do the talking" rockten sich die Jungs durch vierzig Jahre packende Riffs, mitreissende Refrains und Melodien für Millionen hindurch.
Mit den beiden Klassiker-Alben «China» (1988) und «Sign In The Sky» (1989) hatte die Truppe auch genügend Material am Start, welches es zu feiern gab, und so spielten sich die Schweizer locker durch ihre unvergänglichen Hits. Nach «Animal Victim» und «Shout It Out» folgte der nächste, neuere Track in Form der Mitsing-Hymne «Love Someone». Hier trat auch zum ersten Mal Sänger Werner "Hardy" Hartmeier in Erscheinung, der seinen Mikrofonständer unpassenderweise hinter Claudio stellte. Mister Matteo konnte sich beim Rückwärtslaufen gerade noch retten, um nicht auf seinen Allerwertesten zu fallen.
Hardy präsentierte seine lockere, überaus sympathische und mitreissende Bühnen-Performance, strahlte wie ein kleines Kind vor dem Weihnachtsbaum und riss die Besucher förmlich mit. Kurzerhand nahm er einer Besucherin das Smartphone aus den Händen und filmte das Geschehen aus seiner Sichtweise. Langenthal war bereit für China, und so nahm Claudio die Besucher, in seinen Worten die "Fründe" (Deutsch: "Freunde") immer wieder auf eine kleine Zeitreise mit. War es, als er die Grunge-Welle ansprach und mit einem breiten Grinsen zu Protokoll gab, dass er auch diese Bands mochte und deswegen ein etwas anderes Album («Natural Groove», 1995) erschien, er sich schon jetzt für seine fluchenden Wörter entschuldigen möchte, aber sie zu «All I Do» gehörten, weil die damalige Plattenfirma den Arsch nicht hochbekam.
Wie sich die Jungs wieder zusammengefunden haben, liess Freddy das Publikum wissen. In der Corona-Zeit schaute er sich seine Kontaktliste im Smartphone an und dachte, er könnte sich wieder einmal bei Claudio melden. Als er beim Gitarristen anrief, sagte dieser: "An dich habe ich auch gerade gedacht. Wir könnten doch wieder was zusammen machen". Auch bei der Reise nach Amerika, zu einem im Schaukelstuhl sitzenden Farmer, der nicht Heu rauchte («Proud Mary»), machten die Besucher mit einem grossen Lacher und vielen Zwischenrufen mit. Claudio hatte seine "Fründe" im Griff und neben den sensationellen Songs, boten die auf der Bühne stehenden Musiker immer beste Unterhaltung.
Als Überraschungsgäste standen der langjährige Bassist Beat Kofmehl (mit einer nach wie vor wilden Perfomance) und Sänger Patrick Mason auf der Bühne. Seine grandiosen Leistung bei der Ballade «So Long» liess Langenthal begeistert mitsingen, was wiederum Mister Mason zu einem breiten Grinsen veranlasste. Die Zeitreise in die Achtziger, auf welche uns China mitnahmen, strahlte viel Charme aus, erzeugte grandiose musikalische Momente und zeigte eine Truppe, welche durch die Rhythmus-Fraktion (Marc pumpte seine Bassläufe mit einer unglaublichen Power in die Menge) den Boden bekam, welche diese Musik benötigt.
Es war ein Klassentreffen, bei dem alle mit einem zufriedenen Grinsen nach Hause gingen. Aber erst nachdem sich die Musiker nach dem Konzert unters Publikum mischten und die vielen Autogrammwünsche, wie auch die Anfragen für Selfies zufriedenstellten. Sieht man sich eine Band wie China an, wird mir bewusst, welch begnadete Songs die Jungs komponierten. Lieder, die mein Leben unterstützt, beeinflusst und getragen haben. Dazu Texte, die ich immer noch fehlerfrei mitsingen kann und die mir ein breites wie zufriedenes sowie glückliches Grinsen auf die Lippen zaubern. Schaute ich in die Gesichter der restlichen Besucher, war ich mir sicher, dass es nicht nur mir so erging.
Setliste: «Ran Out Of Love» - «Animal Victim» - «Shout It Out» - «Love Someone» - «Rock City» - «You Got Me Going» - «Back To You» - «Hot Lovin’ Night» - «Dead Lights» - «Sign In The Sky» - «Living On The Stage (Short)» - «So Long» - «All Through The Night» -- «In The Middle Of The Night» - «All I Do» - «Proud Mary (Creedence Clearwater Revival Cover)»