20 Jahre Felskinn! In dieser schnelllebigen Zeit will das was heissen. Gerade in unserer Schweizer Metal-Szene gibt es gerade eine oder zwei Handvoll Bands, welche solch ein langes Bestehen aufweisen können. Nun sind Felskinn zum 20-jährigen Jubiläum zurück, und sind einige Veränderungen betreffend der Band festzustellen. Da fällt somit die eine oder andere Frage ab, welche das Metal Factory Publikum interessiert.
MF: Du hattest genau zu deinem, beziehungsweise Felskinn-Jubiläum vor zwei Dekaden einen Comeback-Gig in der Met-Bar mit einer komplett neuen Formation, wenn ich das so nennen darf. Wie fühlt sich das an?
Andy: Grossartig! Ich habe Felskinn auf dem Weg zu meinem dritten Solo-Album 2005 ins Leben gerufen als Outlet für meine metallische Seite. Teils waren es fixere Besetzungen, teils habe ich mir jeweils Musiker von anderen Bands ausgeliehen. Und obwohl Felskinn Projekt-Charakter besitzen, fühlt es sich immer als Band an, auch mit der neuen Besetzung. Der erste Gig in der Met-Bar war einfach nur gewaltig geil!
MF: Nun hast Du ja nun eine komplett "neue" Band. Und im Gegensatz zur vorherigen Formation ist diese um einen Gitarristen geschrumpft. Wie kam es dazu?
Andy: Felskinn war in der ersten Besetzung genau so. Grundsätzlich bin ich Fan von Twin Guitar-Besetzungen (Iron Maiden, Judas Priest, Metallica und andere), aber ich hatte grosse Lust, wieder zu den Roots zurückzukehren. Es wird einfach kompakter, knackiger und auch spontaner. Powerhouse-Drummer Gregory Birrer war der erste in der neuen Besetzung, er hat Gitarrist Toni Watzinger ins Spiel gebracht. Toni fand die Idee interessant und hat die grosse Aufgabe super umgesetzt. Mit Monster-Basser Kusi Durrer haben sich dann eh alle Zweifel in Luft aufgelöst. Wir haben uns relativ schnell gefunden. Es ging mir auch nicht darum, einfach frühere Besetzungen und Alben zu kopieren. Ich finde es viel spannender, wenn sich jeder mit seiner persönlichen Note einbringt. Das sind Felskinn 2025!
MF: Du hattest mit Burnout und Depressionen zu kämpfen. Erzähle doch unseren Lesern, wie es dazu kam.
Andy: Ich gehe gerne an die Grenzen und etwas darüber. Wenn man seine Leidenschaft seit über drei Jahrzehnten so intensiv lebt, ist es schwierig zu erkennen, wann es zu viel ist. Als Selbstständiger habe ich gelernt, neue, unbekannte Aufgaben als Challenge zu sehen. Es erfüllt einen mit Stolz, wenn man wieder was geschafft hat, wo andere nach fünf Minuten schon die Segel streichen. Aber irgendwann habe ich mir schlicht zu viel aufgeladen. Vor allem um den Release von «Enter The Light» herum gab es zusätzlich noch so viele kleine, unerwartete Situationen, die sehr nervenaufreibend waren.
Ich wollte niemanden enttäuschen und habe mir einen Riesendruck aufgebaut. Als dann der Release durch war, bin ich mehr und mehr in ein Loch gefallen, und ein paar Monate später hat sich mein Körper mit einer Erschöpfungs-Depression gemeldet. Wie gesagt, ich war schon oft über der Grenze, aber das habe ich noch nie erlebt, und obwohl ich in meinem Umfeld viele Menschen kenne, die Ähnliches erlebt haben, fiel es mir anfangs schwer, es zu akzeptieren. Als ich dann aber beim Arztbesuch meinen "Ground Zero" Moment hatte, konnte ich es annehmen und die Handbremse ziehen.
MF: Und das war dann erstmal das Aus, beziehungsweise bedeutete eine Zwangspause für Felskinn. Wann war dir klar, dass deine Band weiterleben muss und du dich ab dem Moment auf die Suche nach den geeigneten Musikern gemacht hast?
Andy: Es hat fast zwei Jahre gedauert. Es ging mir wieder richtig gut, aber ich hatte das Gefühl, hm, irgendetwas fehlt, das mich seit 1985 antreibt. Und Felskinn werden zwanzig, let's do it!
MF: Nun ist mir deine neue Truppe nicht ganz unbekannt. Im Speziellen Toni Watzinger nicht, welcher jetzt die Gitarre bei Felskinn bedient. Wird es ein nun neues Album geben? Gibt es dahingehend irgendwelche Pläne?
Andy: Toni ist grossartig und ein wunderbarer Mensch. Ein neues Album ist nicht in Planung. Never say never, aber es ist halt eine Riesensache. Ich habe in meiner Karriere acht Alben herausgebracht, vier davon mit Felskinn. Aber: Wir haben mit «Remember My Name» gerade eine Single, inklusive Video-Clip mit der neuen Besetzung rausgehauen. Es war total ungeplant, die ersten Töne, die wir zusammen gejammt haben. Toni hat den Song super arrangiert, aufgenommen, produziert und gemischt wie gemastert, ein unglaubliches Brett. Es lief alles so easy. So muss das sein, und das macht natürlich Laune auf mehr.
Daneben ist Toni aber auch ein Wahnsinns-Gitarrist, fühlt den Felskinn-Sound und bringt diesen auf ein nächstes Level. Nicht zu vergessen ist Gregory, der am Drum Unglaubliches leistet und die perfekte Mischung zwischen Oldschool-Groove mit dem modernen Flair und seiner ganz persönlichen Note rüberbringt. Ganz zu schweigen von seiner "larger than life" Stage-Performance. Ja und da ist noch Kusi, heisst wir hatten bei Maxxwell schon das Vergnügen zusammen, als ich auf einer Deutschland-Tournee ausgeholfen habe. Er war mein Wunsch-Kandidat, weil ich wusste, dass er diese Musik nicht nur fühlt und unglaublich gut spielt und dazu live wie ein "Zäpfchen" abgeht!
MF: Wie schon gesagt, 20 Jahre sind eine lange Zeit. Wie hat sich die Rock/Metal-Szene für dich verändert in dieser Zeit?
Andy: Es gibt viel mehr Clubs, Festivals und Bands, vieles ist professioneller geworden. Die Veränderungen sind aber weniger gross als die zwanzig Jahre davor. Wenn man, wie ich, die 80er und 90er erlebt hat, wird es aus der Fan-Perspektive schon manchmal schwierig. Ich bin ein Song-Fan, und da bleibt bei mir heute wenig hängen. Vielleicht hat es mit den technischen Möglichkeiten zu tun, dass es heute sehr schnell super klingt, und dabei der eigentlichen Komposition zu wenig Beachtung geschenkt wird. Hingegen ist die Szene aktiver denn je, viel mehr mit- und füreinander!
"... wenn ein Song schneller oder langsamer gespielt wird, nennt sich das Leben! ..."
MF: Wie stehst du zu den ganzen technischen Möglichkeiten, welche heute vorhanden sind, aber (meiner Meinung nach) bis zur Zerstörung von emotionalen Gefühlen in der Musik verwendet werden? Ich spreche da beispielsweise Backing-Tracks an.
Andy: Schon ABBA haben 1974 beim Sieg mit «Waterloo» beim ESC mit Backing-Tracks gearbeitet. Ich habe in der Vergangenheit auch Keyboards und Effekte mitlaufen lassen, aber da war dann auch Schluss. Stimmen oder Instrumente, die live gespielt werden, mitlaufen zu lassen, ist für mich ein no-go. In dem Moment, wo ich sowas brauche, bleibe ich zuhause. Ich glaube, viele haben einfach zu viel Angst und glauben: "Es muss so klingen wie auf der Aufnahme!" Langweilig, das kannst du dir ja zuhause anhören. Ich finde es spannend, wenn Künstler live ihre Songs anders interpretieren. Für das gehe ich ja ans Konzert! Das war für mich auch wichtig beim jetzigen Neustart mit Felskinn: No click, no backing tracks, all live. Mein Gott, ging ja früher auch. Und wenn ein Song schneller oder langsamer gespielt wird, nennt sich das Leben!
MF: Das hat bei einigen Bands leider dermassen Überhand genommen, dass ich mich tatsächlich frage, warum diese Bands auf einer Bühne stehen.
Andy: Was sicher ein grosser Punkt ist, sind die Sozialen Medien. Das ist mir beim Restart von Felskinn 2018 richtig bewusst geworden. Du kommst von der Bühne, guckst auf dein Handy und siehst Videos von dir vom Konzert gerade eben. Der erste Gedanke ist: "Ui, habe die Töne getroffen? Wie klingt es?" Oft schaue ich mir die Videos gar nicht an. Es ist eh schon vorbei und ich weiss, wie ich mich gefühlt habe, und nur das zählt. Aber ich kann verstehen dass es Künstler gibt, die sich nicht auf die Äste herauslassen wollen und lieber zur Sicherheit was mitlaufen lassen.
MF: Wie hältst Du deine Stimme fit?
Andy: Ganz einfach, ich unterrichte/coache im Durchschnitt 25 Lektionen pro Woche. Das ist schon gutes Training für mich selbst. Wenn es dann wieder gerade nach einer Pause darum geht, ein ganzes Set durchzusingen, baue ich mich über Wochen auf. Zuerst bei mir im Studio mit den Stems oder Playbacks der Songs, dann Bandproben. Daneben schaue ich auf körperliches Training, was ich mit Velofahren, Wandern und Kraft-Training probiere, so gut wie möglich in den Alltag einzubauen.
MF: Benutzt du live irgendwelche Effekt-Geräte oder verlässt du dich auf den FOH-Mischer vor Ort?
Andy: Nein, ich verlasse mich auf den FOH-Mann, am liebsten Jürgen "Brogi" Broger oder mein jahrzehntelanger Begleiter Jean-Claude "Schanggi" Pache.
MF: Mir gefällt «Remember My Name» richtig gut, und bin gespannt auf was da noch kommen wird. Vielen lieben Dank, Andy.