2015 fand die letzte Show von Savatage, damals in Wacken, statt. Die Gerüchteküche brodelte seither immer wieder, aber dass es schlussendlich doch zu ein paar weiteren Shows kommen soll, daran hatten selbst die grössten Optimisten nicht mehr gewagt zu hoffen. Nun war es aber wieder so weit dass Zachary "Zak" Stevens (Gesang), Chris Caffery (Gitarre), Al Pitrelli (Gitarre), Johnny Lee Middleton (Bass) und Jeff Plate (Drums) ein paar Konzerte spielen sollten.
Dass sich Jon Oliva (Keyboards, Gesang), einer der Gründungs-Mitglieder von Savatage, krankheitsbedingt dann doch von der Tour ausklinken musste, war für einige Fans ein Wermutstropfen, der aber die Vorfreude auf die Band nicht mindern konnte. Savatage spielten am 18. Juni 2025 im Komplex in Zürich auf, und vorher nahmen sich Chris Caffery sowie Johnny Zeit, um mit Metal Factory zu plaudern.
MF: Wie fühlt es sich an wieder auf Tour zu sein und die Songs von Savatage zu spielen?
Chris (Johnny lacht im Hintergrund): Es fühlt sich so an, als hätten wir nie aufgehört und schliesst nahtlos an die letzten Shows an. Es ist alles sehr natürlich und bereitet uns sehr viel Freude. Die Fans empfangen uns mit offenen Armen und ich denke, wir haben dies alles mehr vermisst als unsere Anhänger. Es fühlt sich alles verdammt grossartig an (grinst zufrieden).
Johnny: Oh ja, wir haben sehr viel Spass dabei und wollten dies immer wieder tun. Himmel nochmal, für wie viele Jahre (lacht)…
Chris: …"fucking forever"…
Johnny: …am Ende hat sich für uns alles ausbezahlt. Nach der Wacken-Show (2015) wollten wir direkt auf Tour gehen, aber dann starb Paul (O'Neill, langjähriger Produzent und Co-Songschreiber der Band) und plötzlich stand COVID da, was die Welt aus den Angeln hob. Dann kriegte Jon seine gesundheitlichen Probleme. Es kam uns immer etwas dazwischen, aber nun sind wir sehr glücklich, dass wir wieder die Savatage Songs spielen können. Viele Leute sahen uns vorher nie, und so haben wir Besucher an unseren Konzerten, die aus unterschiedlichen Jahrzehnten stammen. Unsere alten Fans drehen völlig durch, dass sie uns nochmals sehen.
Chris: Das ist das Verrückte, dass uns die Leute nicht vergessen haben! Unabhängig davon, ob sie uns schon jemals sahen oder nicht. Nun haben alle die Möglichkeit Savatage wieder auf der Bühne zu sehen.
MF: Merkt auch ihr, dass ohne Savatage etwas Wichtiges gefehlt hat?
Chris: Mein Herz und meine Seele gehören der Musik. Spielst du in einer Truppe wie Savatage, wird dies immer einen sehr grossen Platz in deinem Leben einnehmen. Dabei kannst du daneben andere Dinge am Laufen haben. Ich habe nichts vermisst, weil ich diese Balance habe, auch als Savatage nicht mehr aktiv waren. Du hast immer diese guten und schlechten Zeiten. Savatage haben mir immer einen soliden Boden gegeben und somit auch diese Ausgeglichenheit.
Johnny: Wir spielten viele grossartige Konzerte mit dem Trans-Siberian Orchestra, das eine sehr grosse Sache in den Staaten ist. Aber die alten Stücke von Savatage zu spielen ist…, ich würde für die Reise zahlen, nur damit ich diese Songs wieder gratis spielen könnte (lacht). Es ist wirklich eine wundervolle Sache, die alten Emotionen wieder auf die Bühne zu bringen.
MF: Was ist euch heute wichtig, wenn ihr mit Savatage spielt? Ist es mehr Spass und einfacher als früher?
Johnny: Beides…
Chris: …es ist nicht die Frage, ob es leichter oder härter war, da wir jetzt mehr in die Details investieren als früher. Es ist nicht einfacher, es ist präziser. Es ist Spass, als würde ich ein altes Videospiel nach Jahren wieder spielen. Eines, das ich immer gewonnen habe (grinst), aber das ich vermisste. Eines, bei dem ich immer wusste, wann der Dämon zu besiegen ist.
"...In den alten Tagen hatten wir einen schlampigeren Stil, weil alles so verdammt laut war!...*
Johnny: Die Band ist immer so gut, wie sie sein kann. Das haben wir bei der letzten Tour bemerkt. Heute spielen wir präziser und hören jeden Ton. Es gibt keine Note, die nicht gespielt wird, wie sie sollte. In den alten Tagen hatten wir einen schlampigeren Stil, weil alles so verdammt laut war! Heute kann ich hören, wenn Al atmet und ich kann auch meinen Bass bedeutend besser hören.
Chris: Damals gab es keine Aufnahmen der Konzerte, heute hat jeder Fan seine eigenen Handy Aufnahmen. Es klingt so gut, wie es möglich ist (lacht). Wir überanalysieren uns nicht selbst und werfen uns gegenseitig unsere Fehler vor. Oft hören die Fans die Spielfehler nicht, die fallen nur uns auf.
MF: Wie habt ihr die Songs für das Set ausgesucht?
Johnny: Jon Oliva tat dies. Als wir im Proberaum waren, war der "Mountain King" dabei. Er stellte die Basis der Setliste zusammen und schaute dabei auf die Tempos der Lieder. Er war zugleich unser Produzent, wenn wir probten. Bevor wir unser erstes Konzert in Südamerika spielten, (Monsters Of Rock in Brasilen) übten wir 22 Tage und lernten die Songs wieder, wie sie zu spielen sind. Jeder übernahm seinen Part und so fügte sich alles zusammen. So kamen über zweihundert Stunden zusammen, in denen wir probten. Das war auch beim Trans-Siberian Orchestra immer so. Wir übten viel, weil wir auf der Bühne abliefern wollten. Dieses Üben half uns so "tight" zu spielen.
MF: Wie seid ihr damals zu Savatage gekommen?
Johnny: Sie kontaktieren mich vor den Aufnahmen zum «Power Of The Night» Album. Damals spielt ich in einer Club-Band. Criss (Oliva, verstorbener Gitarrist) und Dr. Kill Drum (Steve Wachholz, Schlagzeuger) sahen mich an einem Gig und fragten, ob ich bei ihnen einsteigen will. Ich fragte sie, wie der Verdienst aussehen würde und sie antworteten, dass sie noch alle tagsüber arbeiten würden. Zu der Zeit wollte ich meine Band nicht verlassen, um einem Daily-Job nachgehen zu müssen. Ein Jahr später kamen sie wieder auf mich zu und sagten, dass sie das kommende Album in London aufnehmen würden. Meine Antwort war "Fuck yeah! Lasst es uns tun" (lacht). Vierzig Jahre später bin ich noch immer dabei (grinst).
"...Es war Band und Familie zugleich..."
Chris: Ich begann mit Paul O'Neill zu arbeiten, als ich siebzehn Jahre jung war. Ein Jahr später produzierte er das Album «Hall Of The Mountain King» und sprach mit mir darüber, dass der Sound sehr gross sei und die Band einen zweiten Gitarristen benötige. Wir wurden Freude, ich spielte die Tour und trotzdem verliess ich die Jungs wieder, um dann für «Gutter Ballet» zurückzukehren.
Ich liebte Jon und Criss, verliess sie wieder, wurde erwachsener und lernte vieles (grinst). Criss übte einen sehr grossen Einfluss auf mich aus. Ich schätze sehr, dass er mir die Möglichkeit gab, damals als Teenager bei dieser Band mitzuspielen. Es war Band und Familie zugleich. Das war auch der Grund, wieso ich später wieder bei Savatage einstieg, aber wenn ich höre, wie lange Johnny schon dabei ist (lacht), fühlt sich meine Zeit als unwichtig an.
MF: Wie kam es zum Gastauftritt von Ray Gillan auf «Hall Of The Mountain King»?
Johnny: Paul produzierte damals Badlands. Zur gleichen Zeit, als wir mit Savatage im Studio waren. Sie waren im Komplex über uns und wir wurden sehr gute Freunde von Ray. Bei «Strange Wings»… Jon und Ray haben getrunken. Beide waren dann unten im Studio, und so hat sich alles ergeben. Lustigerweise spielen wir heute Abend diesen Track (grinst).
MF: Wenn ihr die Zeit von «Hall Of The Mountain King» und «Gutter Ballet» mit heute vergleicht, was hat sich alles verändert?
"...Damals verkauften wir Alben, heute sind es T-Shirts..."
Johnny: Damals verkauften wir Alben, heute sind es T-Shirts (Chris lacht). Jeder hat sich auf diesen Stream-Scheiss fokussiert. Als Musiker wirst du damit verdammt nochmals beklaut.
Chris: Wir haben damals mehr Geld für das Essen im Studio verbraucht, als wir heute für die Streamings erhalten. Das Geschäft hat sich völlig verändert. Es ist eine andere Welt. Wir gehen noch immer auf Tour und spielen unsere Songs, aber wie Johnny bereits sagte, von Album-Verkäufen träumen wir und hoffen, dass wir all unsere Shirts am Konzert-Abend verkaufen können.
MF: Wie schwer habt ihr unter der Musik-Industrie gelitten oder wie sehr hat sie euch geholfen, also Fluch und Segen zugleich?
Johnny: Es hat sich alles verändert. Damals verkauften wir Alben, und heute musst du bedeutend weniger Scheiben verkaufen, um Platz #1 in den Charts zu erreichen. Generell ist heute vieles einfacher. Heute kannst du deine Info mit einem Click der ganzen Welt zur Verfügung stellen. Das ist aber auch das heutige Musik-Business. Ein Click auf einen Song, der schnell durch einen anderen ersetzt wird.
Das begleicht uns heute unsere Rechnungen nicht mehr. Ich kann nicht sagen, dass dies bei Savatage früher immer der Fall war. Wir haben keine goldenen Alben bekommen. Heute, wenn du eine junge Truppe bist und versuchst dich im Geschäft zu etablieren, bleib bei deinem Job und kündige ihn nicht (grinst).
Chris: Früher haben uns die Labels geholfen bei den Produktionen und den Tourneen. Sie haben Geld in dich investiert, bevor du etwas verdient hast. Heute hat sich dies alles verändert.
Johnny: Es hat sich alles verändert und nicht unbedingt zum Guten hin. Dies macht es jungen Musikern nicht leichter, und darum haben wir keine neuen, frischen Sounds mehr. Die Industrie investiert nicht mehr. Du bekommst aber vielleicht Streams und die Möglichkeit live aufzutreten. Du musst dich selbst vorfinanzieren, um ein richtiges Album aufnehmen zu können.
Du machst den Scheiss in deinem Schlafzimmer, weil da die ganzen eigenen Aufnahmegeräte stehen. Früher kostete uns eine Aufnahme 200'000 bis 300'000 Dollars. Dann konntest du ein Exemplar davon deiner Mam geben. Heute interessiert dies niemand mehr, weil keiner mehr einen physischen Tonträger kaufen will.
MF: Wie gross war der Schritt von «Gutter Ballet» hin zu «Dead Winter Dead»?
Johnny: Das war eine natürliche Evolution.
Chris: Paul war immer mit diesem Rock-Theater verbunden. Dieses Broadway-Zeugs mit unterschiedlichen Levels an Orchestrierungen. Als er Geschichten für uns schrieb, entwickelten wir uns in diese Pop-Rock-Opern Richtung. Zu Beginn war es spannend zu sehen, wie sich alles entwickelt. Die Songs zusammen mit den Texten. Du begreifst mit 21 Jahren noch nicht, wie stark diese Texte waren.
Wir spielten Shows für Leute aus der ganzen Welt und plötzlich steht ein Ägypter vor dir und sagt, dass deine Texte sein Leben gerettet haben. Was für eine sehr kraftvolle und mächtige Aussage. Diese Evolution, nicht nur von der Musik aus gesehen, sondern auch in der Kooperation mit den Texten und den Stories, wurde lebendiger von «Gutter Ballet» zu «Dead Winter Dead» hin.
MF: Welche Erinnerungen habt ihr an Criss Oliva?
Chris: Er war viel mehr als ein Band-Mitglied und behandelte mich wie einen Bruder. Wenn wir auf Tour waren, hat er mir vieles gezeigt, nicht nur betreffend dem Gitarrenspiel. Zu dieser Zeit spielte ich mit dem Eddie Van Halen des Heavy Metals zusammen. Er wusste dies nur nicht. Criss hat mein Gitarren-Spiel beeinflusst und immer, wenn ich mir sein Spiel anhöre, versuche ich diese Gefühle in mein Spiel einfliessen zu lassen. Er ist einer der Besten.
"...Das ist auch schon wieder 32 Jahre her und es hat ein grosses Loch in meinem Herzen hinterlassen..."
Johnny: Wir waren beste Freunde. Er war mein Nachbar und mein bester Freund. Wie oft haben wir gegenseitig bei uns an die Türe geklopft und uns gefragt, wie es uns und unseren Eltern geht? Er hatte einen Hund, Criss war nach dem Autounfall tot und seine Frau lag im Spital. Wir gingen in sein Haus, um die Tiere zu füttern. Ich tat dies für ein paar Wochen. Wir waren verdammte Brüder. Seit diesem schrecklichen Tag vermisse ich ihn, auch wenn ich weiss, dass wir uns irgendwann wieder sehen werden. Himmel nochmal, das ist auch schon wieder 32 Jahre her und es hat ein grosses Loch in meinem Herzen hinterlassen.
MF: Wie schwer war es damals Criss zu ersetzen?
Johnny: Ich denke nicht, dass wir ihn ersetzen konnten und wollten. Er hat einen grossartigen und wundervollen Job gemacht. Höre dir nur seine Leadgitarren an. Als Mensch konntest du ihn nicht ersetzen, wir versuchten es aber auf musikalische Art.
Chris: Wenn Leute wie Paul oder Criss in dein Leben treten, sind das sehr seltene Momente. Sie waren so wichtig auf viele, unterschiedliche Arten. Persönlich, musikalisch und geschäftlich. Genauso wie sie waren, konnten sie nicht ersetzt werden. In meiner Sichtweise wollte ich Criss nie ersetzen.
Was er tat, war einzigartig. Ich wollte nicht wie er aussehen oder sprechen, sondern wollte Chris Caffery sein, der tat was er tun konnte. Noch immer kickt er mir in den Arsch, wenn ich ihn spiele höre. Ich bin glücklich, dass ich bei Savatage in der Position spielen kann, die er für mich kreierte und versuche Criss auf meine Art zu würdigen.
MF: Was mögt ihr mehr, in kleinen Clubs zu spielen oder in grossen Hallen?
Johnny: Das kommt darauf an, wie heiss es ist (lacht). Wir haben in den letzten 25 Jahren in den grössten Arenen in den Staaten mit dem Trans-Siberian Orchestra gespielt. Aber als wir wieder in London, in diesem kleinen Theater (Shepard'’s Bush Empire) spielten wusste ich: "Mann, wie habe ich diesen Scheiss vermisst" (grinst).
Chris: Die Bühnen sind unterschiedlich…
Johnny: …du willst dein ganzes Leben nur in diesen grossen Hallen spielen. Wenn du jeden zweiten Tag im Jahr in solchen Arenen auftrittst, ist es sehr schön wieder in einem Club spielen zu können. Alle sind am Schwitzen, und es ist verdammt laut…
"...Heute ist es, als würde man mit seiner Familie Disney World besuchen und hat nur noch Spass dabei..."
Chris: …wir begannen mit Festivals auf dieser Tour. Du merkst wie komplett unterschiedlich solche Club-Shows sind. Es ist purer Spass die Savatage Lieder zu spielen. Logisch macht es auch Fun, wenn man mit der grössten Produktion quer durch Amerika reist. Mit Savatage war es immer wie auf einer Urlaubsreise, bei der man dich in einem Resort Hotel unterbrachte und seine Familie dabei hatte. Heute ist es, als würde man mit seiner Familie Disney World besuchen und hat nur noch Spass dabei (lacht). Es fühlt sich an wie damals, als man noch ein Kind war.
Johnny: Ich kam zur Band, da war ich 21 Jahre jung, und nun bin ich 62 (lacht). Ich denke zu allem was wir in der Karriere von Savatage taten, liebe ich es noch immer in diesen Clubs aufzutreten.
Chris: Als würden wir alles wieder neu starten und erneut mit Savatage spielen. Es fühlt sich an, als hätte es nie einen Stopp gegeben. Wie damals als wir uns fragten, wo sind wir morgen sein werden und welche Zeit haben wir (lacht)?
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Johnny: Ja, wahrscheinlich stehen uns zehn weitere Jahre bevor. Wir haben einen 10-Jahres-Plan und wir befinden uns gerade im ersten Jahr. Sofern wir dies alles überleben (lacht). Danach werde ich über siebzig Jahre alt sein. Wir spielen jetzt eine Handvoll Shows und schauen, wie wir beim Publikum ankommen. Speziell in Südamerika räumten wir ab und wollen dort noch mehr spielen. Kolumbien oder Mexiko. Nächstes Jahr steht Asien auf dem Programm und dann wollen wir nochmals in Europa auftreten. Vielleicht ergibt sich in den Staaten ein Opening-Slot für eine bekannte Band!?
MF: Herzlichen Dank, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview genommen habt…
Johnny: …wir danken dir, es hat sehr viel Spass gemacht.