Deshalb brauchen wir Künstler wie Yungblud: genreübergreifend, furchtlos und fest in der Gegenwart verankert. Mit Idols, seinem bisher mutigsten und unerwartetsten Album, schlägt er eine Brücke zwischen den Generationen – niemand macht das besser als er. Um es klar zu sagen: «Idols» ist nicht das, was man erwartet.
Nach seinem selbstbetitelten Album, das 2022 die Charts stürmte, hätte Yungblud (alias Dominic Harrison) sich auf seinen Lorbeeren ausruhen können. Stattdessen eröffnet er dieses Album mit einer neunminütigen Odyssee «Hello Heaven, Hello», die sich von einem verträumten Intro zu einer stadiontauglichen Rock-Oper und schliesslich zu einer intimen Akustik-Ballade entwickelt. Wer macht so etwas im Jahr 2025? Offenbar jemand, der sich weigert, auf Nummer sicher zu gehen. Auf «Idols» huldigt Yungblud seinen musikalischen Vorfahren, indem er ihre Geister durch die Tracks tanzen lässt, statt sie zu kopieren.
In «Change» findet sich die Theatralik von Bowie, in «Monday Murder» die Melancholie von The Cure und in «Ghosts» die ehrgeizige Unbekümmertheit von U2. Doch jede Note ist durch seine eigenen rohen Emotionen gefiltert, seine unverkennbare Stimme, die zu gleichen Teilen Punk-Schrei und verletzliches Flüstern ist. Und dann ist da noch «Zombie», eine süchtig machende Hymne, die sich sofort zeitlos anfühlt. Sie schmerzt, sie schwebt und sie singt für jede Generation, die sich jemals gefragt hat, ob die Liebe eine Welt, die auseinanderzufallen droht, überleben kann.
Für einen Moment glaubt man daran. Was Yungblud so besonders macht, ist nicht nur der Genre-Mix oder das mutige Songwriting, sondern auch, dass man die Person hinter dem Mikrofon spürt. Yungblud trägt keine Maske. Er ist wütend, hoffnungsvoll, gebrochen, laut und ganz er selbst. Er versucht nicht, der Rockstar deines Vaters zu sein. Er ist der Rockstar von heute: androgyn, emotional, politisch, unvollkommen und gerade deshalb umso besser.
Das ist kein Hard Rock für Biker-Bars. Es ist kein Pop-Punk für Einkaufs-Zentren. Idols ist Rock, der durch Schmerz, Rebellion und Fantasie wiedergeboren wurde. Einige Puristen mögen darüber spotten. Sollen sie doch. Während sie in der Vergangenheit feststecken, wird Yungblud zur Zukunft, indem er die Vergangenheit in die Gegenwart holt und sie in Brand setzt. "Rock is dead"? Nicht, solange dieser Typ noch schreit. Unpassend zu MF? Lest und vor allem hört weiter. Ich habe schon Tickets fürs Konzert im Oktober und erstmals die Chance, meine Tochter an einem Rock-Konzert zu begleiten.
Lukas R.