Doch hier liegt das Problem: Obwohl «Euphoric End» makellos ausgeführt und nahezu perfekt poliert ist, hat man das Gefühl, bereits einmal hier gewesen zu sein. Sleep Token hat die Schleusen für diese Art von kunstvoll verpackter emotionaler Katharsis geöffnet und Paleskin folgt diesem Weg mit glühender Hingabe, jedoch selten mit Überraschungen. Das heisst jedoch nicht, dass das Album keine Höhepunkte hat. Tracks wie «Near Heaven» und «Love Me, Slow» zeigen ein Gespür für die Balance zwischen Melodie und Aggression, während «Our Love» geschmackvolle Arrangements und ein dynamisches Zusammenspiel der Stimmen präsentiert.
Casper Frisks Stimme hat emotionale Kraft und auch die ambienten Verzierungen sowie die straffe Rhythmusgruppe verdienen Lob. Dennoch ist die emotionale Palette begrenzt. Die versprochene Euphorie und Verzweiflung wirken allzu oft wie abgedroschene dramatische Klischees und nicht wie wirklich gelebte Geschichten. Die Produktion ist zwar reichhaltig und vielschichtig, glättet aber manchmal die Spannung, die von raueren Momenten hätte erzeugt werden können.
Für jüngere Hörer, die gerade ihre ersten Wellen der Post-Hardcore-Melancholie erleben, könnte Euphoric End eine Offenbarung sein. Alte Hasen, die diese Tricks bereits aus den Tagen von Deafheavens «Sunbather» oder Thrice' «Vheissu» kennen, werden die Magie eher als einstudiert denn als roh empfinden. Ja, Paleskin kennen das Ritual gut. Ob es sich dabei aber um Verehrung oder Imitation handelt, bleibt dem Zuhörer überlassen. Eines ist sicher: Der Kult um Sleep Token hat Anhänger, und sie werden immer lauter.
Lukas R.