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Metal Factory since 1999
Von Lukas O. Ritzel, 2025 für Metal Factory
Coverbild bei Sepide Donne (2025)
Musik als natürlicher Begleiter in Tolkiens Werk
Tolkiens eigene Liebe zur Musik: Tolkiens Wertschätzung für Musik ist ein integraler Bestandteil seiner Welt. Er schrieb oft über Musik in seinen Werken, insbesondere in ‘The Silmarillion’, in dem Musik die Schöpfung der Welt selbst ist. Im Kapitel ‘Ainulindalë – die Musik der Ainur’ beispielsweise wird die Welt durch eine kosmische Musik geschaffen, die von den Ainur (Götter oder Engel) gespielt wird. Diese grundlegende Verbindung zwischen Musik und der Struktur von Tolkiens Welt bedeutet, dass Künstler, die sein Werk bewundern, ganz natürlich dazu neigen, Musik als Ausdrucksmittel für seine Geschichten zu verwenden.
Musikalische Inspiration innerhalb des Textes: Musik spielt in Tolkiens Werken eine wichtige Rolle. Im Hobbit wird zum Beispiel viel über den Gesang der Zwerge erzählt, der Bilbo so fasziniert. Im Herrn der Ringe werden viele Lieder und Strophen gesungen, seien es selbst gedichtete Verse oder fast vergessene Heldensagen. Tolkien selbst integrierte Lieder und Texte in seine Geschichten, wie «The Road Goes Ever On» und «The Song of Durin». Diese dienen nicht nur als literarische Mittel, sondern spiegeln auch die Kultur und Mythologie Mittelerdes wider. Viele Musiker haben sich nicht nur von den Geschichten, sondern auch von der Struktur dieser Lieder selbst inspirieren lassen.
Wie zum Beispiel, «The Song of Durin» – vertont von der A Cappella Band Clamavi De Profundis. Hier wird das Gedicht aus dem Buch der Gefährten mit choraler und orchestraler Kraft inszeniert – ein moderner Versuch, dem ehrwürdigen Stil der Zwergenpoesie gerecht zu werden.
Song of Durin (Complete Edition) - Clamavi De Profundis
Die Beatles wie vorhin schon erwähnt waren von der Mythologie Mittelerdes begeistert. Zwar gibt es keine direkten Beweise dafür, dass die Beatles in ihren Songtexten wörtlich auf J.R.R. Tolkien Bezug genommen haben, doch die Verbindung zwischen der legendären Band und dem Schöpfer Mittelerdes ist durchaus belegt – wenn auch auf eine andere, beinahe filmreife Weise. In den späten 1960er-Jahren, auf dem Höhepunkt ihrer kreativen und psychedelischen Phase, planten die Beatles ein eigenes Filmprojekt basierend auf The Lord of the Rings.
Paul McCartney sollte Frodo spielen, Ringo Starr Sam, George Harrison war als Gandalf vorgesehen, und John Lennon hatte sich – wenig überraschend – für die Rolle Gollums interessiert. Als Regisseur war kein Geringerer als Stanley Kubrick im Gespräch. Dieses aussergewöhnliche Projekt scheiterte letztlich daran, dass Tolkien, der zu dieser Zeit die Filmrechte noch selbst besass, den Plan der Beatles ablehnte. Er wollte nicht, dass seine Geschichte auf diese Weise adaptiert wird.
Auch Bands wie The Decemberists haben sich in jüngerer Zeit mit Themen aus Tolkiens Welt auseinandergesetzt – darunter Natur, Reisen und heldenhafte Quests. Dies zeigt sich nicht zuletzt bei Frontmann Colin Meloy, der diese Motive auch in seiner Fantasy-Buchreihe ‘Wildwood’ weiterführt.
The Decemberists - Rox in the box live
Einfluss auf Generationen
Kultureller Einfluss: Tolkiens Werke beeinflussen die Popkultur seit über einem halben Jahrhundert. Sein Einfluss auf die Fantasy-Literatur ist tiefgreifend, da er die moderne Vorstellung von Fantasiewelten mit epischen Landschaften, magischen Kreaturen und heldenhaften Quests massgeblich geprägt hat. Künstler verschiedener Musikgenres, insbesondere in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren (Progressive Rock, Hard Rock und später Metal), waren stark von Tolkiens Vision beeinflusst. Dadurch blieb Tolkiens Welt ein wichtiger kultureller Bezugspunkt.
Die ‘Herr der Ringe’-Filme, die Anfang der 2000er Jahre erschienen, lösten eine neue Welle des Interesses an Tolkiens Werken aus und bestätigten seinen lang anhaltenden Einfluss. Die umfangreiche Filmmusik von Howard Shore, die Orchestermusik mit Motiven aus Tolkiens Welt verband, verstärkte die Verbindung zwischen seinen Schriften und der von ihnen inspirierten Musik noch weiter. Auf diese Weise hat Tolkiens Welt eine Kontinuität, die in moderneren Fantasy-Universen viel weniger verbreitet ist.
Gerade auch Progressive Bands, die schon Alben ohne Tolkien Bezug aufgenommen hatten, nahmen dies zu Anlass ihr ‘Mittelerde’ Album herauszubringen. Die wohl bekannteste Band hier was ‘Mostly Autumn’. «Music Inspired by The Lord of the Rings» war das vierte von 16 Alben und wurde im 2001 herausgebracht.
Forge Of Sauron - Greenwood The Great / Mostly Autumn
«Landscape of Middle Earth» (später auch unter dem Namen «Songs of Middle Earth» veröffentlicht) ist ein Album von Rick Wakeman, ehemaliges Mitglied der Progressive-Rock-Band Yes, aus dem Jahr 2002. Es trumpft vor allem durch seine perlenden Pianosongs auf und war im umfangreichen Werk von Wakeman das einzige reine Tolkien-Album.
Rick Wakeman - Songs of Middle Earth
Die surreale und fantastische Natur von Tolkiens Welt
Traumhafte und surreale Qualitäten: Tolkiens Werk hat eine traumhafte, fast mythische Qualität, die es für Musik einzigartig geeignet macht. Mittelerde existiert auf einer Ebene, die sich gleichzeitig real und jenseitig anfühlt, in der göttliche, natürliche und übernatürliche Welten miteinander verwoben sind. Diese Fluidität ermöglicht eine grössere kreative Freiheit bei der musikalischen Interpretation wie wir vorhin am Beispiel von Plamp erfahren haben.
Musik, insbesondere in Genres wie Folk und Metal, lebt von Abstraktion und Fantasie. Tolkiens Werke sind unglaublich offen für Interpretationen. Ein Song wie «Mirror Mirror» von Blind Guardian beispielsweise fängt die fantastischen und mysteriösen Elemente von Tolkiens Welt ein und erzeugt ein Gefühl der Ehrfurcht, das sich nicht so leicht in etwas wie ‘Game of Thrones’ übertragen lässt, wo die Handlung eher in düsteren politischen Intrigen verwurzelt ist.
Blind Guardian - Mirror Mirror (Official Live Video)
Verfilmungen und legendäre Soundtracks
Die Popularität von Peter Jacksons ‘Der Herr der Ringe’-Filmen und deren legendäre Filmmusik von Howard Shore führten zu einer Wiederbelebung der kulturellen Relevanz von Tolkiens Welt. Der Soundtrack selbst wurde zu einem Meilenstein der Filmmusik und zeigte eindrucksvoll, wie Musik und Bild zusammenwirken können, um Tolkiens Welt zum Leben zu erwecken. Dies ebnete auch anderen Musikern den Weg, Tolkiens Welt zu entdecken und in ihre Musik zu integrieren.
The Lord of the Rings Symphony - The Fellowship of the Ring Howard Shore
1967 RARE footage of Donald Swann performing Tolkien's songs
Am bekanntesten ist wohl:
«Namárië» by Donald Swann
Tolkien war tief beeindruckt von Swanns musikalischer Umsetzung dieses Gedichts in seiner eigenen Elbensprache. Er war so begeistert, dass er Swanns Melodie später als ‘die authentische Musik der Elben’ bezeichnete.
Tolkien On The Rocks
Doch nun zurück zum Rock: Insbesondere die legendäre Band Led Zeppelin enthält in ihren Songs direkte Bezüge zu Tolkiens Welt. In «Ramble On» werden beispielsweise Mordor und Gollum erwähnt, während «Misty Mountain Hop» und «The Battle of Evermore» stark von Tolkiens Themen und Figuren aus den Kultwerken ‘Der Hobbit’ und ‘Der Herr der Ringe’ geprägt sind.
In «The Battle of Evermore» gibt es zwar keine direkten Zitate, aber doch einiges, das sich direkt auf Tolkien beruft:
‘The Dark Lord rides in force tonight’ erinnert an Sauron und seine Armeen.
‘The Queen of Light took her bow and then she turned to go’ erinnert an Galadriel oder auch Lúthien.
‘The Ringwraiths ride in black’ ist ein umso mehr klarer Hinweis auf die Nazgûl.
Damit wird der tiefgreifende Einfluss des Autors auf die Musik der 1960er- und 1970er-Jahre gefestigt.
Tolkiens Einfluss auf die populär Musik gilt als Beweis dafür, wie sehr sein Werk die Populärkultur durchdrungen hat – insbesondere innerhalb von Gegenkulturbewegungen wie der Hippie-Bewegung, in der seine Bücher weit verbreitet waren. Die Einbeziehung von Tolkien-Elementen in die Musik von Led Zeppelin – die ja Mitreiter der Hippie-Bewegung waren – insbesondere in ihren Bildern und Texten, symbolisiert, wie tief Tolkiens Werk in der breiteren Kultur verankert ist, obwohl bei anderen Hippie-Bands wie Jefferson Airplane, Grateful Dead oder The Doors keine direkten Tolkien-Bezüge vorhanden sind.
Konkret auf die Hobbits bezugnehmen ein Beispiel für den Einfluss Tolkiens auf die Hippie-Ära ist der Song «The Hobbit» der britischen Band Skip Bifferty. Der Titel stammt aus einer BBC-Session und wurde später auf einer Compilation veröffentlicht – ein echter Geheimtipp aus der psychedelischen Underground-Szene. Musikalisch ist der Song typisch psychedelisch: verspielt, surreal und experimentell – genau wie der Stil der Band. Auch wenn der Text keine genaue Nacherzählung von Tolkiens ‘Der Hobbit’ ist, greift er zentrale Motive wie Zwerge, Magie, Kobolde und Drachen auf. Es handelt sich eher um eine freie, stimmungsvolle Hommage, die die mythische Atmosphäre von Mittelerde in den klanglichen Zauber der 1960er Jahre überträgt.
Skip Bifferty - The Hobbit
Led Zeppelin - The Battle of Evermore (Official Audio)
In den Tolkien-Tunnel geraten: Der stille Widerstand – Wie Christopher Tolkien zur Rockmusik schwieg (und warum das wichtig war)
Als sich in den 1970er Jahren Tolkien-Zitate durch die Rockmusik schlichen – von Led Zeppelins «Misty Mountain Hop» bis zu Bo Hanssons atmosphärischem Instrumentalalbum «Music Inspired by Lord of the Rings» – war eine Generation auf der Suche nach Mythos, Eskapismus und epischer Tiefe. Doch einer, dessen Stimme über Jahrzehnte hinweg kaum zu dieser Euphorie passte, war Christopher Tolkien, der Sohn des Autors und treueste Verwalter von Mittelerde.
Christopher Tolkien war nicht nur der Herausgeber von ‘Das Silmarillion’ und der ‘History of Middle-earth’. Er war ein literarischer Purist und Philologe, der das Lebenswerk seines Vaters als einen in Sprache und Mythos eingebetteten Kosmos verstand. Und gerade deshalb war sein Verhältnis zur Popkultur, zur Rockmusik im Besonderen, von Distanz, Misstrauen und Ablehnung geprägt. Er sah, wie sich Mittelerde in Posterform, auf Dungeons-&-Dragons-Würfeln oder als Namensgeber für Metalbands materialisierte. Und er sah darin eine Bedrohung.
In einem berühmten Interview mit Le Monde aus dem Jahr 2012 sagte er über die Verfilmungen von Peter Jackson: ‘Tolkien ist zu einem Monster geworden, das von seiner eigenen Popularität aufgefressen und in die Absurdität unserer Zeit absorbiert wurde.’ Diese Aussage bezog sich zwar auf das Kino, sie steht jedoch exemplarisch für seine Haltung gegenüber einer Welt, die den literarischen Mythos zur popkulturellen Projektionsfläche machte.
Es gibt keine bekannte Äusserung Christopher Tolkiens zur Rockmusik, keine Reaktion auf die zahlreichen Songs, die sich mit Figuren und Orten aus den Büchern befassen. Doch das Schweigen ist beredt. Es war ein stiller Widerstand gegen die Kommerzialisierung des Erbes seines Vaters. Projekte wie das Tolkien Ensemble oder das Musical ‘The Lord of the Rings’ mussten lange mit dem Tolkien Estate verhandelt werden – unter den strengen Augen von Christopher Tolkien, der den Ton und die Tiefe des Originals gewahrt wissen wollte.
Für viele Musiker der 70er und 80er Jahre war Tolkien ein Befreiungsmythos. Er bot Zugang zu archaischer Sprache und zu heroischen Narrativen in einer modernen Welt voller Sinnsuche. Für Christopher Tolkien aber war Mittelerde kein Spielplatz. Es war ein Monument.
Gerade dieser Kontrast macht die Auseinandersetzung zwischen Rockmusik und Tolkien so faszinierend. Während die Bands die Märchenwelt feierten, verteidigte der Sohn ihre Gravitas. Vielleicht verdankt die musikalische Mittelerde gerade diesem Spannungsverhältnis ihren Reiz: Sie musste sich immer wieder neu zwischen Freiheit und Treue, zwischen Inspiration und Respekt verorten.
Der stille Widerstand von Christopher Tolkien war also mehr als nur Konservatismus. Er war ein Versuch, das Heilige nicht im Rausch zu verlieren. Und vielleicht ist es genau dieser Ernst, der auch heute noch Musiker dazu bewegt, sich Mittelerde mit Ehrfurcht zu nähern und sie nicht nur zu besingen.
Funfact: Von Bag-End zu verbrannten Millionen: Der mythische Bogen von Jimmy Cauty
Bevor er eine Million Pfund in einer Steinhütte auf Jura verbrannte und sich für immer aus der Musikindustrie zurückzog, war Jimmy Cauty ein Teenager, der sich in der Welt von Mittelerde verlor. Mit nur 17 Jahren schuf er eine der bekanntesten Illustrationen zu ‘Der Herr der Ringe’ und ‘Der Hobbit, die Anfang der 1970er Jahre als Athena Posters veröffentlicht wurden – Werke, die jahrzehntelang Poster und Kalender in Schlafzimmern in ganz Grossbritannien zierten und noch heute bei eBay hohe Preise erziehlen. Link hier.
Ein Stil war atmosphärisch dicht, pastoral und mystisch mit einem Hauch von Surrealem, beinah Psychedelischem. Man kann sich leicht vorstellen, dass der junge Cauty in Tolkien nicht nur eine Fantasiewelt, sondern auch eine Landkarte für künstlerische Rebellion fand – eine Welt, in der Mythos und Subversion nebeneinander existieren können. Jahre später wurde Cauty Teil des Duos The KLF, einer Band, die die Rave-Kultur der frühen 90er Jahre prägte und dann ihren eigenen Mythos sprengte. Mit weltweiten Chart-Hits wie «3 a.m. Eternal» und «Justified and Ancient» eroberte das Duo (zusammen mit Bill Drummond) die Popmusik, nur um dann sein gesamtes Repertoire zu löschen und eine Million Pfund seiner eigenen Einnahmen als künstlerisches Statement zu verbrennen.
Obwohl es keine dokumentierte Verbindung zwischen Tolkiens Legendarium und Cautys Ambient-House-Anarchie gibt, kann man sich eines mythischen Echos nicht erwehren. Wie Fëanor, der die Silmarillen zerschmettert, oder Túrin, der in einem Anfall von verdammter Klarheit zerstört, was er liebt, ist Cautys Werdegang geprägt von kreativem Exzess, Zerstörung und der unheimlichen Schönheit dessen, was zurückbleibt.
Die wichtigsten heutigen Vertreter von Tolkien inspirierter Musik
Seine frühe Vertiefung in Tolkiens zutiefst moralischen, tragisch-heroischen Kosmos mag den Keim für seine späteren Provokationen gesät haben – Fantasien nicht von Schwertern und Elfen, sondern von kultureller Disruption, ritualisiertem Bildersturm und der Macht von Symbolen, seien es Ringe oder Plattenlabels.
The Elves - Elvenpath (Nightwish) Official(no) Music Video with lyrics
Blind Guardian | A Full Analysis of "Nightfall in Middle-earth"
Bands wie Summoning, Black Jade, Emyn Muil, Eldamar, Moongate Guardian, Dwarrowdelf, The Bardic Depths und Dave Bron sind Beispiele für die direktesten und leidenschaftlichsten Einflüsse von Tolkiens Werk auf den modernen Rock und Metal. Sie alle lassen sich stark von Tolkiens Mittelerde inspirieren und integrieren seine reichhaltige Mythologie, seine Figuren und Landschaften in ihre Musik.
Betrachten wir diese Bands einmal genauer, um ihre Verbindung zu Tolkiens Welt zu verstehen und zu erfahren, wie sie seinen Einfluss in der heutigen Musikszene weiterleben lassen.
1. Summoning
Summoning ist vielleicht die bekannteste und kultigste Band, wenn es darum geht, Tolkiens Mittelerde direkt in ihre Musik zu integrieren. Das 1993 gegründete österreichische Duo ist ein Pionier eines Subgenres, das oft als ‘Atmosphärischer Black Metal’ oder ‘Tolkien-Metal’ bezeichnet wird und Elemente des Black Metal mit epischen, cineastischen und atmosphärischen Qualitäten verbindet.
Die Musik von Summoning ist sehr atmosphärisch und zeichnet sich durch lange, mitreissende Kompositionen aus, die die Erhabenheit von Mittelerde heraufbeschwören. Sie verwenden häufig Synthesizer, um weitläufige, orchestrale Klänge zu erzeugen, während ihre Black-Metal-Wurzeln durch Tremolo-Gitarrenriffs, Blast Beats und harte Vocals erhalten bleiben.
Tolkien-Einfluss: Die gesamte Diskografie der Band ist von Verweisen auf Tolkiens Werk durchdrungen. Sie haben sich direkt von den Texten aus ‘Der Herr der Ringe’ und ‘Silmarillion’ inspirieren lassen und ganze Alben der Erforschung der Landschaften, mythologischen Kreaturen und epischen Geschichten Mittelerdes gewidmet. Songs wie «Rohan» und «Land of the Dead» fassen die Erforschung von Tolkiens Universum zusammen und konzentrieren sich auf Orte wie Rohan, Gondor und Mordor.
Summoning - Land Of The Dead
Ihre Texte verweben komplexe Erzählungen, die oft auf die Elfen, Zwerge und alten Schlachten aus Tolkiens Werken Bezug nehmen. Das renommierte österreichische Black-Metal-Duo Summoning nimmt seit langem einen einzigartigen Platz in der musikalischen Interpretation von J. R. R. Tolkiens Legendarium ein.
Ich durfte auch Anfangs 2025 ein Interview mit Summoning führen. Beantwortet wurden die Fragen von Michael ‘Silenius’ GREGOR mit Unterstützung von Thomas Hutterer.
Eine Frage war unter anderen, wie seine künstlerische Entwicklung durch eine lebenslange Faszination für Fantasy geprägt wurde. Diese Faszination wurde durch die Entdeckung von Tolkiens Mythos durch Ralph Bakshis Zeichentrickfilm ‘Der Herr der Ringe’ sowie das anschliessende Eintauchen in Tolkiens schriftliche Werke geweckt. Seine frühesten Einflüsse lagen in archetypischen Fantasy-Figuren aus ‘Masters of the Universe’ und der Kunst von Frank Frazetta. In Kombination mit der philosophischen Härte von Robert E. Howards Weltanschauung schufen diese Einflüsse die Grundlage für eine künstlerische Vision, die später zu einer Tolkien-zentrierten Vision erblühte.
Silenius erinnert sich: ‘Tolkien schrieb nicht einfach Geschichten, die mit dem Ende des Buches aufhörten. Er schuf eine Welt mit einer vollständigen Sprache, Kartografie, Mythologie und Theologie – eine lebendige Welt, die weiterbesteht.’ Diese Erkenntnis führte zu einer Wende in seiner kreativen Laufbahn und inspirierte nicht nur sein musikalisches Schaffen, sondern prägte seine gesamte Weltanschauung. Summoning entstand Anfang der 1990er Jahre aus der Black-Metal-Underground-Szene, veröffentlichte zunächst Alben wie «Lugburz» und «Minas Morgul», die im traditionellen Black Metal verwurzelt waren, entwickelte sich aber bald zu etwas völlig Eigenständigem.
Die Kompositionen der Band wurden bald atmosphärischer, weniger aggressiv und konzentrierten sich mehr auf die Schaffung einer eigenen Welt durch Klang. Mit zunehmender Reife wagte sich die Band tiefer in Mittelerde vor. Ihre Songs sind keine blossen Hommagen, sondern Klanglandschaften, die die emotionale und mythologische Tiefe von Tolkiens Schriften heraufbeschwören. ‘Ohne Tolkien gäbe es den Sound von Summoning nicht’, reflektiert er. Im Gegensatz zu seinem Bandkollegen Richard ‘Protector’ LEDERER, der Tolkiens Stimmungen technisch und emotional in Klang umsetzte, war sein eigener Beitrag thematischer und konzeptioneller Natur.
Diese Dynamik ermöglichte es der Band, einen unverwechselbaren Sound zu kreieren: langsam, majestätisch und von Melancholie durchdrungen. Wichtige Alben wie «Dol Guldur», «Stronghold» und «Old Mornings Dawn» enthalten Titel, die Tolkiens Themen Verlust, Sehnsucht und die Ruinen vergangener Grösse in Klang übersetzen. Ein Song, «Elfstone», ist direkt von Tolkiens Prosa inspiriert: ‘Diejenigen, die durch diesen Stein blickten, sahen Dinge ... in der Anmut ihrer Jugend.’
In der Diskussion über Tolkiens persönliche Bedeutung spricht Silenius von einer tiefen emotionalen Resonanz mit dem Konzept der Sehnsucht, einer Sehnsucht nach einer vergangenen Welt. Er betont, dass Themen wie die Sehnsucht der Elfen nach Valinor, das Verblassen alter Königreiche und die Grauen Anfurten eine zeitlose Melancholie einfangen, die Generationen überdauert. ‘Tolkiens Geschichten könnten vor Tausenden von Jahren oder in tausend Jahren erzählt worden sein’, bemerkt er. Die Universalität von Tolkiens Archetypen ermöglicht es jeder Generation, das Legendarium neu zu entdecken und zu verinnerlichen. Während sich die Alben von Summoning von martialisch und mythisch («Lugburz», «Dol Guldur») zu atmosphärisch und elegisch («Let Mortal Heroes Sing Your Fame», «Oath Bound») entwickelten, blieb der Kern, Tolkiens weitläufige Mythologie, stets erhalten.
Silenius erinnert daran, dass selbst ihre Experimente ausserhalb von Summoning – in Projekten wie «Die Verbannten Kinder Evas» oder «Ice Ages» – nie ganz die Welt Mittelerde einfangen konnten wie ihr Hauptprojekt. ‘Nur Summoning ist geeignet, Tolkiens Welt musikalisch umzusetzen.’ Unter ihren wichtigsten Stücken nennt er «Old Mornings Dawn» und «Elfstone» als besonders bedeutungsvoll. Ersteres erinnert an eine persönliche Verbindung zu Tolkiens wiederkehrenden Themen: ‘Old days come to life again / Old mornings dawn ...’ (Alte Zeiten werden wieder lebendig / Alte Morgen dämmern ...), während Letzteres die heilende Kraft des Elfenartefakts ‘Elfstones’ (Elfensteine) erforscht.
Summoning - Elfstone (Lyrics)
Die Musik von Summoning ist mehr als nur Black Metal mit Fantasy-Texten – sie ist ein tiefgründiger Versuch, Tolkiens innere Musik in hörbare Form zu übersetzen. Der Kompositionsprozess basiert stark auf Stimmung, natürlicher Immersion und Einsamkeit. ‘Durch das Wandern durch Wälder, Moore und Berge offenbart sich das ganze Gewicht von Tolkiens Vision’, erklärt Silenius. Solche Ausflüge haben fast schon rituellen Charakter, ähnlich wie Rollenspiele oder spirituelle Pilgerreisen.
Die Reaktionen der Fans waren ebenso bedeutungsvoll. Ein denkwürdiger Moment war der Besuch eines japanischen Journalisten im Jahr 2001, der den Künstler in einer Wiener Taverne aufsuchte, um ihm seine Bewunderung auszudrücken. Ein anderes Mal klingelten junge Fans an seiner Tür und baten ihn, mit ihnen zu proben. Am meisten beeindruckt ihn, dass auch ohne aktuelle Veröffentlichungen immer noch Feedback eintrifft – ein Beweis für das bleibende Vermächtnis von Tolkien und Summoning.
Die Zukunft bleibt ungewiss. Die Produktivität von Summoning hat in den letzten Jahren nachgelassen und obwohl die kreative Verbindung zwischen den beiden Musikern intakt ist, bleibt die Frage nach einem weiteren Album offen. Doch die Tür bleibt offen. ‘Unsere Inspiration war immer Tolkien – und die Natur’, fasst er zusammen. Sollte es ein weiteres Summoning-Album geben, wird es sicherlich wieder aus den Nebeln Mittelerdes auftauchen.
Summoning - Minas Morgul (Full Album Remastered)
Anhänge und Referenzen – hier.
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