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"...Ich wollte das Drum so klingen lassen, wie es sein muss..."
«The Arsonist» ist der Titel des neuen Albums der deutschen Thrash Metal Legende Sodom. Einmal mehr hat sich Bandleader Tom Angelripper (Gesang, Bass) nicht lumpen lassen. Mit dem siebzehnten Studio-Album und knapp 43 Jahren in der Nacken-Muskulatur ist das Quartett noch weit davon entfernt, zum alten Eisen zu gehören. Was Tom, seine beiden Gitarristen Frank Blackfire und Yorck Segatz sowie Schlagzeuger Toni Merkel beim "Brandstifter" vom Stapel lassen, sucht einmal mehr seinesgleichen. Fünf Jahre sind seit dem letzten Studio-Player «Genesis XIX» vergangen. Während andere Truppen sich auf die moderne Technik berufen, spielten die Jungs das neue Werk analog ein und lassen das Schlagzeug so klingen, wie man es sich aus der guten, alten Zeit gewöhnt ist. Wer bis anhin ein Interview nicht bis zum Schluss durchgelesen hat, sollte es zumindest bei diesem tun, denn Tom lässt hier eine Bombe platzen, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte!
MF: Tom, das neue Album ist richtig geil geworden, Kompliment…
Tom: …ich kann das immer schlecht beurteilen (grinst), aber wir haben uns alle Mühe gegeben. Zum Beispiel mit den Aufnahmen, die wir wieder teils analog umgesetzt haben, wie das Schlagzeug. Das war ziemlich teuer, aber ich wollte das Drum so klingen lassen, wie es sein muss.
MF: Wie kam es zu diesen analogen Aufnahmen, die in meinen Augen so klingen, wie sie eben müssen?
Tom: Viele Leute werden sich wieder daran gewöhnen müssen, da man von diesen digitalen Drum- Sounds verwöhnt ist. Ich will nicht sagen, dass die Trommler das Zeugs nicht mehr selbst einspielen, aber man kann heute stetig den kompletten Sound verändern, bei jeder einzelnen Note. Das wollte ich nicht mehr. Toni hat sein Studio im Recklinghausen, gleich hier um die Ecke und da steht auch ein altes Mischpult. Das war für mich wie eine Zeitreise. So wie damals, als die komplette Band am Pult sass und sah, wie die neue Scheibe entstand. Das macht aktuell ja keiner mehr, sprich heutzutage kannst du mit dem PC im Proberaum ein komplettes Album aufnehmen.
Das hat zwar schon seine Berechtigung, weil dies so bezahlbarer ist. Ein reiner Studio-Sound ist sehr teuer geworden, doch ich wollte dies wieder so haben. Als Drummer hast du beim Spielen nur einen Versuch und der muss sitzen. Hast du den Part digital, kannst du alles zurecht schnipseln. Toni hat die Songs oft in einem Take aufgenommen. Das war echt bewundernswert. Auch den Gesang wollte ich organischer haben, das gefällt vielen zwar nicht, aber so klingen Sodom eben. Wir haben Platten gemacht wie «In War And Pieces» (2010) oder «Epitome Of Torture» (2013), bei denen einige gesagt haben, dass die Scheiben überproduziert wären.
"...Früher war die komplette Truppe drei bis vier Wochen in Berlin im Studio..."
MF: Habt ihr alle zusammen im Studio aufgenommen?
Tom: Wir haben alles im Studio aufgenommen, auch wenn nicht immer alle gleichzeitig vor Ort waren. Früher war die komplette Truppe drei bis vier Wochen in Berlin im Studio. Da konnte man nicht so einfach weg. Grundsätzlich waren wir dieses Mal schon immer alle im Aufnahme-Tempel. Ich war stets da, weil ich mich dafür interessiere, wie zum Beispiel das Schlagzeug aufgenommen wird. Es war aber nicht mehr so wie früher, als die Truppe permanent aufeinandersass, was auch nicht immer gut war (grinst). Dieses Mal hatte es wieder solche Ansätze. Die Songs schrieben wir im Proberaum.
Toni hat auch Lieder für die neue Scheibe komponiert. Er ist zusätzlich ein guter Gitarrist und Songschreiber. Im Proberaum setzten wir alle Parts zusammen. Im Endeffekt muss ich auf die Musik singen und das Ganze arrangieren. Wo ist der Refrain, wo machen wir die Strophen? Das wird im Proberaum alles abgesprochen und durchgeprobt. In den letzten Jahren waren wir so viel auf Tour, da wird man immer wieder aus dem kreativen Part herausgerissen. Darum dauert ein Album heute immer so lange, bis es letztlich veröffentlicht wird. Früher haben wir jedes Jahr ein neues Werk herausgebracht.
MF: Wo siehst du die Unterschiede von «The Arsonist» hin zu den anderen Scheiben?
Tom: Der Sound (wie aus der Pistole geschossen)! Frank und Yorck haben ihre eigene Handschrift, wie sie komponieren. Man kann auch als Aussenstehender heraushören, wer was komponierte. Frank bringt diese glasklaren «Agent Orange» Riffs und genau das macht die Sache so bunt. Auch wenn wir wie Sodom klingen, können wir alles machen. Ich sehe uns nicht als lupenreine Thrash Metal Band. Wir füllen auch andere Schubladen aus. Toni kommt vom Black Metal her und das hört man bei dem einen oder anderen Part auch heraus. Da wird es sicherlich wieder böse Zungen geben die behaupten, dass wir einen auf Black Metal machen. "Hallo! Wer hat damit angefangen?" Wir spielen "Witching Metal" (lacht) und weder Black noch Thrash Metal (grinst).
MF: Wie entstand der Album-Titel?
Tom: Mit Zbigniew Bielak, unserem Cover-Zeichner, traf ich mich vor ein paar Jahren in Norwegen. Er ist ein totaler Sodom Fan, aber nur von den Oldschool-Sachen (lacht). Für ihn ist «Obsessed By Cruelty» der heilige Gral (lacht). "Bist du verrückt?", war meine Antwort darauf (lacht). So kamen wir ins Gespräch. Persönlich finde ich die Ghost-Cover nicht so toll. Das ist mir alles zu theatralisch. Bei mir muss immer ein bisschen Andreas Marshall (Deutscher Cover-Künstler von Tankard, Sodom, Risk, Kreator und Blind Guardian) drin sein. Das muss zudem mit Airbrush gemacht werden, nicht dass alle behaupten, dass wir mit KI gearbeitet haben. Das wurde uns beispielsweise auf Facebook vorgeworfen, als wir das Cover zum ersten Mal gepostet haben. Das ist eine Beleidigung für jeden Künstler, aber dazu können wir dann mal ein separates Interview führen. Auf diesem Album ist nix mit KI gemacht worden, heisst weder der Text, die Musik, noch das Cover, das garantiere ich!
Nach und nach kamen wir also ins Gespräch, wie wir das Album nennen könnten. Meine erste Idee war «Shadowland». Da meinte Yorck, dass es schon eine Band gibt, welche ihr Album so benannte. Der Typ ist ein wandelndes Metal-Lexikon (grinst). Er meinte dann, dass «The Arsonist» passen würde. "Der Brandstifter" ist ja nicht nur derjenige, der mit Benzinkanister und Streichhölzern um die Häuser rennt. Es kann auch ein geistiger Brandstifter sein und davon haben wir ja genug im weltpolitischen Geschehen. Das Cover sollte deswegen was hermachen und ich finde es sehr gelungen. Dieses gehört sicherlich zu den besten Covern, die wir je gemacht haben. Es ist Handarbeit, mit Pinsel und Stiften. Wenn Chris Boltendahl sagt, dass er sein Cover mit KI gemacht hat, finde ich das gut, aber uns dann zu unterstellen, wir hätten dies auch so gemacht, ist fürchterlich. Das Cover ist geil geworden und passt wie Arsch auf Eimer!
MF: Was war zuerst da? Das Cover oder die Texte, die das Cover beeinflussten?
Tom: Das lief parallel. Die Musik und die Texte gingen zu Bielak. Er wollte immer die Texte, auch wenn die noch gar nicht fertig waren. Selbst Lieder, die noch gar nicht beendet waren, hat er von uns bekommen. Bielak hat uns dabei nicht in die Musik oder die Texte reingeredet, aber er wollte sich ein Bild davon machen, was da kreiert wurde und wie ein Bandmitglied dabei sein. Wir haben zwei bis drei Jahre an «The Arsonist» gearbeitet, jedoch immer wieder Pausen eingelegt. Dann kam irgendwann das Artwork als pdf-File daher und hat mich echt umgehauen. Diese ganze Dynamik, die da drin ist, kriegst du heute mit KI gar nicht hin. Noch nicht… Aber wer weiss schon, was in ein paar Jahren ist. Das hier war ein Entstehungs-Prozess über Jahre hinweg.
MF: Gibt es für dich auf dem neuen Album einen Song, der etwas heraussticht?
Tom: Die Lieder die Toni geschrieben hat, wie «Trigger Discipline» oder «A.W.T.F.» und «Witchhunter», welcher unsere zweite Single geworden ist. Zum ersten Track haben wir ein Lyric-Video gemacht. Davon bin ich absolut kein Freund. Keine Ahnung, wieso man das machen muss, aber die Plattenfirma wollte dies so. Bei «Witchhunter» wollte ich das Ganze organischer umsetzen. Andy Brings (ehemals Gitarrist bei Sodom), mit dem ich gerade am Re-Release von «Get What You Deserve» arbeite (nachdem die beiden schon «Tapping The Vain» wiederveröffentlicht haben) und ich haben Fotos und Filmaufnahmen heraussortiert und im Video von Witchhunter (Chris Witchhunter war der Ur-Trommler von Sodom) eingefügt, die du vorher noch nie gesehen hast! Die Songs die Toni gemacht hat, sind ein bisschen frischer, weil er einen anderen Ansatz darin zu finden ist, wie bei «Taphephobia». Arrangiert haben wir schliesslich zusammen und mit drei Komponisten wurde das Endergebnis sehr bunt.
MF: Was ist für dich schwieriger, einen neuen Song oder einen neuen Text zu schreiben?
Tom: Ich bin kein Songwriter in dem Sinne (lacht). Klar, ich habe auch meine Ideen. Für mich ist es jedoch einfacher, wenn die Musik fertig ist und ich einen Text dazu schreiben kann. Es gibt Komponisten, die können das, wie Alex Kraft von Onkel Tom (das Side-Projekt vom Tom). "Schick mir einen Text, und ich mache dir einen Song dazu". Für dass es eine runde Nummer wird, muss ich zuerst die Musik haben.
"...Ich versuche dabei Titel zu finden, die es noch nicht gibt..."
MF: Wie lange brauchst du um einen neuen Text zu schreiben, da diese ja auch sehr tiefgründig sind?
Tom: Ich stehe nachts oft auf, habe eine Idee und schreibe diese auf einen Zettel. Das kann durchaus auch zuerst in deutscher Sprache sein. Ich versuche dabei Titel zu finden, die es noch nicht gibt und die Texte so zu schreiben, dass man nicht weiss was los ist und diese möglichst martialisch sind. Inspiration habe ich ja genug, da brauche ich nur den Fernseher einzuschalten. Manchmal geht es schnell, dann brüte ich wieder mal länger oder zerknülle den Zettel und schmeiss ihn in den Papierkorb (lacht). Du kannst nicht sagen, wir gehen morgen in den Proberaum und schreiben einen neuen Song, das klappt nicht. Wir haben nie Botschaften vermittelt, denn bei uns wirst du keine politischen Inhalte finden, das sind alles martialische Situationen. Wie der Soldat, der im Schützengraben liegt und Angst hat lebendig begraben zu werden, weil neben ihm eine Granate hochgeht. Nasse Erde mit Steinen gemischt, da reicht ein halber Meter und du bewegst dich nicht mehr. Da würdest du lieber erschossen werden.
Es ist nicht das grosse Kriegsgeschehen, sondern die kleinen Dinge, die mich faszinieren und das versuche ich jeweils lyrisch umzusetzen. Wir haben dieses Mal einen Witchhunter Tribut-Song und einen für Algy Ward von Tank geschrieben. Das wollte ich zuerst eigentlich gar nicht, aber Toni kam mit einem Gitarren-Riff ums Eck, da dachte ich nur: "Das klingt wie Tank!" (grinst). Zumindest wie eine Nummer vom zweiten und dritten Album. Da ich Algy mochte, habe ich diesen einen Tribute-Track geschrieben. Er war einer meiner grössten Inspirationen und ich kannte ihn persönlich. Das war wie bei Witchhunter, heisst, er hat sich heroisch aufgeblasen. Beide sind an Alkohol und Drogen gestorben. Tragisch! Trotzdem hat Algy mich dazu inspiriert, Musik zu machen, wie auch Cronos von Venom. Darum dreht sich auch der Text, aber was «A.W.T.F.» heisst, kann ich nicht verraten (grinst). Insider wissen das jedoch (lacht).
MF: Hast du jemals gedacht, dass du mit Sodom so lange, mittlerweile über vierzig Jahre, unterwegs sein wirst?
Tom: Nein! Als wir angefangen haben, dachten wir nie an einen kommerziellen Erfolg. Je mehr uns die Menschen hassten, desto grösser wurden wir (lacht). Wir wollten Musik machen, die keinem gefällt, und das haben wir zu Beginn geschafft. Da dachte niemand daran, dass wir nach 42 Jahren noch immer Musik machen. Als wir einen Plattenvertrag unterschrieben und alles ein bisschen professioneller losging… Muss man dranbleiben und hart arbeiten. Seit 42 Jahren arbeite ich jeden Tag für Sodom. Das ist nicht nur die Studio-Arbeit zu bewerkstelligen, oder wenn ich auf der Bühne gehe. Da gibt es noch viel mehr, was jeweils zu erledigen ist. "Result of hard working" und natürlich gehört auch ein bisschen Talent wie Glück dazu.
Für mich ist jetzt ab Anfangs Juli dieses Jahres aber erst mal Schluss, zum Leidwesen der Plattenfirma. So eine Entscheidung kommt immer ungelegen und mit meinen Jungs sprach ich schon 2024 darüber. Ich muss jetzt einfach mal andere Dinge erledigen. Es gibt keine Pläne, wann es weitergehen könnte. Ich bin gesund, da viele denken, dass ich krank bin und deswegen eine Pause einlege. Auch wenn ich dasselbe wie Tom Araya habe, sprich einen Bandscheibenvorfall, den ich mal operieren lassen müsste. Ich will einfach auch wieder mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen oder mich wieder der Jägerei widmen (Tom liebt es zu jagen). Simpel gesagt, Dinge für mich tun. Gerade nach Corona kam dieses Bedürfnis massiv auf. Ich will nicht behaupten, dass ich die Corona-Zeit genossen habe, denn damals kam wegen dem Virus kein Geld herein. Wir nutzten die Zeit, um ein neues Album zu schreiben, obwohl wir uns eigentlich gar nicht hätten treffen dürfen! Für mich ist jetzt einfach mal Feierabend.
"...Natürlich ist die Musik immer der wichtigste Teil meines Lebens und das wird auch immer so bleiben..."
MF: Ist das eher ein Break oder als Schlussstrich von Sodom zu verstehen?
Tom: Das endet nicht, heisst solange ich lebe, wird es Sodom geben, das ist keine Frage. Geld spielt hingegen immer eine Rolle, da meine Rente eher schmal ausfallen wird. Man will seinen Kühlschrank voll haben, unabhängig vom Geld. Spielst du keine Konzerte mehr, dann kommt auch keine Kohle rein. Mit 62 Jahren bemerkst du allerdings, dass es noch andere Dinge gibt, die wichtig sind. Natürlich ist die Musik immer der wichtigste Teil meines Lebens und das wird auch immer so bleiben. Wir wollen permanent an neuen Re-Releases arbeiten, aber ich will keine Zeit mehr verschwenden, nur damit ich ein Konzert in Mexiko spielen kann und deswegen zehn Tage unterwegs sein muss.
Ich will meine Zeit sinnvoll nutzen. Jeder der in meinem Alter ist weiss, was ich meine. Bedeutet, mein Leben geniessen oder einfach mal nix machen. Statt auf den Flughafen zu hetzen, auf meiner Terrasse zu sitzen und genüsslich einen Kaffee schlürfen. Ende und aus. Das wird aber nix für immer sein. Ich mache keine Pläne und keinen Zeitplan, was wann wie geschehen muss. Da würde ich mich nur selbst unter Druck setzen und das will ich definitiv nicht. Es ist besser eine solche Pause einzulegen, als wenn ich aus gesundheitlichen Gründen dazu gezwungen werde. Aber nicht traurig sein, ich muss jetzt einfach mal nur an mich selbst denken.
MF: Das finde ich sehr gut…
Tom: …viele finden das eben nicht so gut (grinst). Die wollen, dass Sodom weiterhin auf der Bühne stehen. Das verstehe ich grundsätzlich auch. Die Plattenfirma meint, dass wir wieder auf dem Zenit seien, die Konzerte sehr gut besucht und wir gut eingespielt sind. Das Album ist im Kasten, aber der Unterschied ist diesmal, dass es dazu keine Tournee geben wird!
MF: Herzlichen Dank für das offene Gespräch. Ich wünsche dir eine grossartige Zeit zum Entspannen und Geniessen.
Tom. Ich danke dir (grinst zufrieden). Ich bin mir sicher, dass wir uns bald wieder sehen werden. Machs gut und pass auf dich auf!