YEAR OF NO LIGHT, Frankreichs kompromisslose Klang-Architekten, legen mit «Les Maîtres Fous» nun ein Werk vor, das genau diesen Zustand in eine halbstündige, cineastisch verdichtete Klangskulptur bannt. Diese Aufnahme ist jedoch keine neue Komposition, sondern ein Live-Mitschnitt aus dem Jahr 2015, entstanden als zweite und letzte Aufführung eines Soundtracks, den die Band 2012 im Auftrag des Musée du Quai Branly komponierte. Er dient als musikalische Antwort auf Jean Rouchs gleichnamigen, kontroversen Dokumentarfilm über die Hauka-Bewegung im kolonialen Ghana. Und wie der Film ist auch die Musik: verstörend, rituell, transzendent. Ein einzelner Ton, kaum mehr als ein schwebender Impuls, eröffnet das Stück wie einen tiefen Atemzug vor dem Tauchgang.
Doch was folgt, ist kein linearer Spannungsbogen, sondern ein langsames, unentrinnbares Einsickern in eine andere Wirklichkeit. Jede Schicht der Komposition, jeder verzerrte Akkord und jede sich windende Dissonanz tragen zur dichten, ritualhaften Atmosphäre bei. In der Mitte des Stücks setzen die Drums ein – zwei Schlagzeuge wie die Herzen eines kollektiven Körpers – und treiben die Komposition in eine eruptive Phase, die sich wie ein Riss in der Realität anfühlt. Dass diese Musik als Soundtrack zu einem Film gedacht ist, lässt sich kaum überhören. Doch anders als herkömmliche Filmmusik illustriert sie nicht, sondern kommentiert, spiegelt und durchdringt. Wer den Film Les Maîtres Fous parallel in tonloser Projektion erlebt, wird eine neue Art der Wahrnehmung erfahren.
Wir sprechen hier von einer synästhetische Fusion aus Bild und Klang, aus dokumentierter Trance und instrumentaler Ekstase. Diese Platte ist kein klassisches Album, sondern ein Klangritual für Eingeweihte, eine Drone-Oper in einem Akt. Wer neu in dieser Welt ist, mag sich überfordert fühlen. Doch wie ein Apnoetaucher, der unter der Wasseroberfläche eine andere Welt entdeckt, wird auch der Hörer belohnt – mit einer Erfahrung jenseits konventioneller Kategorien. Für alle, die «Consolamentum» als Offenbarung empfanden oder sich in Sunn O)))’s Soundwalls verlieren können, ist «Les Maîtres Fous» Pflicht, und wenn man es mit Sunn O))) vergleicht, fast schon leichte und durchaus melodische Kost. Für alle anderen: schnorchelt einfach weiter.
Lukas R.