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Ein Klangwald, in dem die Zeit sich verbiegt und Stimmen lodern. Mit ihrem neuen Mini-Album «Fyr» heizen die Schweden von GAUPA nicht nur die Verstärker auf. Dieses Werk ist durchdrungen von elementarer Energie. "Fyr" bedeutet Feuer, Leuchtturm und vier, und jede dieser Bedeutungen findet in den vier Tracks des Albums ihren Ausdruck. Literatur inspirierte Musik auf höchstem Level.
Die gestraffte Besetzung der Band und die rauere Produktion sorgen für einen kraftvolleren Sound als je zuvor. Doch das eigentliche Leuchtfeuer bleibt bestehen. Emma Näslunds Stimme ist so sprunghaft und transzendent wie die Themen des Albums. Näslund kanalisiert etwas Ursprüngliches und Ausserweltliches. Ihre Stimmlage schwankt zwischen Björk-artigem Flüstern wie volltönenden Schreien und bewegt sich mit erstaunlicher Leichtigkeit zwischen Zerbrechlichkeit und Wildheit. Sie zaubert, wie ein Elben-Lied durch uralte Legenden zum Leben erweckt wird. Die lyrische Inspiration des Albums stammt aus Ursula K. Le Guins "The Word For World Is Forest" und vertieft dieses Gefühl von Mystik und ökologischer Dringlichkeit.
Wie die Athsheaner aus Le Guins Werk, die in einer Traumzeit leben und die Realität in fliessenden Schichten wahrnehmen, lädt uns die Musik von Gaupa in einen Raum ein, in dem die Zeit zyklisch ist, in dem der Wald lauscht und in dem Klänge die Wahrnehmung formen. Der Eröffnungs-Track «Lion's Thorn» taucht wie Nebel aus den Bäumen auf. Seine Dudelsäcke und atmosphärischen Drones lösen sich in knirschenden Stoner-Riffs und ritualistischen Rhythmen auf, und beendet wird das Ganze mit einem sehr coolen Gitarren Teil. «Heavy Lord» ist eindringlich und verspielt mit einem Groove, der ebenso tanzt wie er stampft. Näslunds geflüsterte Verse weichen darin donnernden Beschwörungen.
«Ten Of Twelve» entschleunigt dann das Tempo zu einer Art Doom-Blues, der an ein mit Kerzen beleuchtetes Waldritual erinnert. Hier wird ihre Stimme zu einem erzählenden Wind, heisst sanft, dann heftig, dann verklingend in der Stille. Der vierte Titel, «Elastic Sleep», ist einem Fiebertraum in Bewegung gleich: Schichten aus psychedelischem Rock, Doom und mathematischem Djent (siehe auch Meshuggah) entfalten sich wie wechselnde Landschaften; jeder Takt eröffnet ein neues Terrain. In einigen Versionen findet sich dann auch noch ein Live-Song als Zugabe, der es auf elf Minuten bringt und vorzeigt, dass diese Band ihre Elben-Musik auch live sehr wohl umzusetzen vermag.
Wie Le Guins Roman, wird auch hier die Natur von Realität und Zerstörung hinterfragt. Es ist Waldmusik..., wild, zyklisch und wissend. Die reduzierte Bandbesetzung verstärkt diesen Eindruck: David Rosbergs Gitarre wird experimentierfreudiger als sonst, während Karl Daniel Lidéns aggressive Produktion dem Stück viel Textur und mehr Biss verleiht. Gaupa laden uns ein in ihre Welt einzutauchen, sie haben einen schimmernden Altar aus Klang geschaffen..., ritualistisch, ungezähmt und einzigartig. «Fyr» erscheint einem wie vierstimmiger Zauberspruch. Ein Leuchtfeuer der modernen Heavy-Musik das, wie Le Guins Wald, von mehr Stimmen erfüllt ist, als wir benennen können.
Lukas R.