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Coroner erfuhren eigentlich erst nach der Auflösung 1996 die Anerkennung, die sie verdient haben. Deshalb löste die Reunion 2010 ein mittleres Erdbeben aus und viele Fans weltweit hofften auch auf neues Material. Dies ist aber nicht ganz so einfach, wenn man Klassiker wie «R.I.P.» , «No More Color» oder «Mental Vortex» in der Diskografie stehen hat.
Die Erwartungshaltung ist dermassen gross, dass man praktisch nur verlieren kann. Wie man so auf die Schnauze fällt, zeigt aktuell das Beispiel Dark Angel, deren neues Studioalbum nicht annähernd an die Frühwerke anknüpfen kann. Deshalb war die Spannung gross, als Coroner endlich ihr Comeback-Album ankündigten.
Seit dem fast schon legendären Konzert im Kiff zusammen mit Messiah und Thronehammer geistert mir beim Begriff Coroner immer der Spruch von Fribi (Outsider) durchs Hirn: Headbangen mit Taschenrechner. Die anspruchsvollen und technisch herausragenden Riffattacken von Ausnahmekönner Tommy Vetterli verlangtem dem Hörer schon früher etliches ab, weshalb Coroner nie zu meinen allergrössten Favoriten zählten. Meiner einer mag es halt lieber etwas einfacher und auf den Punkt gespielt. Wird sich dies mit dem neuen Output ändern?
Nach etlichen Durchgängen muss und kann ich die Frage mit einem klaren Ja beantworten. Coroner haben ein Werk erschaffen, dass trotz aller Komplexität trotzdem wie aus einem Guss um die Ecke kommt. Das Album schafft es eingängig, knallhart, dunkel und technisch zugleich zu sein, etwas das kaum eine andere aktive Band auf diesem Planeten schafft. Ein gutes Beispiel ist der Opener «Consequence», der trotz komplexen Riffstrukturen ein unfassbares Brett geworden ist, welches mit einem ruhigen Mittelteil aber auch sehr abwechslungsreich klingt.
«Sacrificial Lamb» ist fast schon Doom Metal und beherbegt etliche Rhythmuswechsel, ohne aber auch nur ein Hauch an Aggressivität zu verlieren, auch weil Ron’s Stimme nichts von ihrer Härte verloren hat. Spätestens bei «Symmetry» - mit unfassbar geilen Gitarrenharmonien – wird klar, dass Coroner hier einen echten Kracher geschrieben haben. Ausfälle sucht man hier vergeblich, die Scheibe lässt sich ohne Skip Taste hören und wenn man sich gegen Schluss gemütlich und zufrieden in den Sessel zurücklehnt überrascht das Trio doch tatsächlich noch mit einer Hammond Orgel.
Tommy, Ron und Diego haben es geschafft keine stumpfe Kopie früherer Werke abzuliefern, sondern ein Album erschaffen, dass durch eine zeitgemässe und fette Produktion besticht, ein zeitloses Songwriting bietet, aber trotzdem nach Coroner klingt! Ich bin mir ziemlich sicher, dass «Dissonance Theory» in den Jahresbestenlisten vieler Metal Fans sehr, sehr weit oben stehen wird.
Rönu
Rockslave
Punkte: 9.5 von 10
2: Meinung: Was ich mir als in Würde ergrauter Metalhead mit mittlerweile 61 Jahren niemals mehr hätte ausmalen können, findet nun tatsächlich doch statt! Ich stehe vor der Rezension des brandneuen, sprich sechsten Studio-Albums der Schweizer Technical Thrash Könige CORONER! Was vertragsmässig bereits vor über einer Dekade seinen Anfang nahm, musste sich aus verschiedenen Gründen in Geduld üben. Im Herbst 2025 folgen nach den Worten nun endlich die heiss ersehnten Taten.
Was hauptbesetzungsmässig, also vor vierzig Jahren mit Tommy Vetterli (Gitarre, als "Tommy T. Baron"), Ron Broder (Bass/Gesang, als "Ron Royce") und Marky Edelmann (Schlagzeug, als "Marquis Marky") seinen Anfang nahm, mündete zwei Jahre später im Debüt-Album «R.I.P.», das soundmässig noch einige Vibes von Celtic Frost atmete. Die vorherige Betätigung als Roadies für Tom G. Warrior & Co. hinterliess noch hörbare Spuren, doch die DNA von Coroner bildete sich in der Folge bald heraus. Dazu gehörte einerseits das polternde Grundgerüst, das zum Beispiel beim Instrumental «Nosferatu» mit gitarrenlastigen Melodien à la Mercyful Fate aufhorchen liess und andererseits von Anfang an das vertrackte wie filigran-schnelle und gleichzeitig abwechslungsreiche Spiel von Tommy Vetterli verinnerlichte. Dazu die flinken Bassläufe und der charakteristische Gesang von Ron Broder.
Ab dem zweiten Album «Punishment For Decadence» (1988) wurde zusätzlich die Saat des progressiv geprägten Thrash Metal üppig auf dem musikalischen Acker verteilt und konsequent vorangetrieben. Dazu gehören laufend Tempi-Wechsel innerhalb der Songs oder (zu Beginn) auch akustisch gespielte Parts («Skeletion On Your Shoulder»), um danach das Gaspedal wieder voll durchzudrücken, bevor einen die Heavyness mit dem nächsten Break wegpusted. Dies zieht sich als roter Faden auch durch die folgenden Alben hindurch und gipfelt schliesslich auf «Grin» (1993) im Rhythmus-Monster «Serpent Moves», wo neue Elemente Einzug finden und das Ganze nach wie vor zusammenhalten. Dennoch war die Luft zunehmend draussen, und dies führte 1995 leider zur Auflösung der Band. Danach wurde es spürbar ruhig um Coroner, aber das tat der Wertschätzung der Fans und der Szene keinen Abbruch.
Nachdem sich Tommy, neben seiner Zeit bei Kreator (1996 bis 2001) vor allem als Produzent einen Namen machte und dabei Eluveitie wesentlich unterstützte, führten vermehrte Anfragen dazu, dass die Aktivitäten im Bandrahmen 2010 wieder aufgenommen wurden und man bereits 2011 wieder live auf der Bühne stand. Die Resonanzen waren dabei überwältigend, und so kamen zunehmend Stimmen auf, ob man nicht gedenke, ein neues Album aufzunehmen. Dies zog sich dann allerdings einige Jahre hin, und als 2014 Ur-Drummer Markus "Marky" Edelmann ausstieg, weil er nicht davon überzeugt war, kam zunächst etwas Sand ins Getriebe, das mit der Verpflichtung von Diego Rapacchietti als Nachfolger zumindest an der Live-Front für zusätzlichen Schub sorgte. Aber gut Ding will bekanntlich Weile haben, und im Wissen darum, dass vor allem Master Vetterli keine halben Sachen mag, dauerte es halt.
Hört man sich «Dissonance Theory» an, erkennt man sofort, dass diese Entscheidung völlig richtig war. Selbst wenn bis hierhin, also seit «Grin», nicht weniger satte 32 Jahre ins Land gezogen sind. Die ersten beiden ziemlich räudigen Singles «Renewal» und «Symmetry» gaben die Marschrichtung schon mal vor und schraubten die Erwartung weiter in die Höhe. Was dann aber nach dem Intro «Oxymoron» vom Stapel gelassen wird, lässt einem die Kinnlade gleich nach unten fallen. Der Opener «Consequence» macht dabei keine Gefangenen und fegt mit oberfettem Sound gleich alles vom Sockel. Umgehend fallen hier die stimmlichen Gimmicks von Ron, zusätzliche Effekte und die ruhige Bridge auf, ehe das Gebretter mit dem hammermässig bollernden Bass weitergeht. Was für ein Kracher! Episch monströs zeigt sich danach «Sacrificial Lamb», wo der Gesang mitunter den Unterschied ausmacht.
Dieser raumfüllende Bombast nimmt einen förmlich in seine Klauen und lässt mich dabei unweigerlich an Klang-Professor Devin Townsend denken, der das bei seinen Werken auch draufhat. Was Tommy hier allerdings heraushaut, ist schlicht brillant. «Crisium Bound» galoppiert nach unheimlichen Klängen zu Beginn wie eine Herde wildgewordener Büffel durch die heimische Stube und lässt alles erzittern, was keinen sicheren Stand hat. Dazwischen eine weitere geniale Bridge mit dem Anfangs-Thema, typisch Coroner eben! Spätestens bei «Symmetry» wird gewahr, was auch Nevermore vor langer Zeit ablieferten. Insgesamt etwas weniger Tempo bei «The Law», «Transparent Eye» oder auch «Trinity» streicht letztlich das progressive Element heraus. Das kurze «Prolonging» lässt «Dissonance Theory» schliesslich mit Hammond-Klängen (!) instrumental ausklingen. Leute, ich bin nur noch platt!
Rockslave
Punkte: 10 von 10