Thall ist bekannt für: In den Tiefen der extremen Metal-Spielarten hat sich eine Klang-Ästhetik etabliert, die weit über konventionelle Genre-Grenzen hinausgeht. Charakteristisch für diesen Sound sind unkonventionelle Rhythmen und komplexe Polyrhythmen, die den Hörer ständig aus dem gewohnten Takt reissen. Herabgestimmte, dissonante Gitarrenriffs bilden das raue Rückgrat der Kompositionen, während klare, fast zerbrechlich wirkende Melodielinien immer wieder durch das verzerrte Chaos brechen.
Diese atmosphärischen Kontraste erzeugen eine spannungsgeladene Klanglandschaft, die zugleich verstörend und faszinierend wirkt. Das Ergebnis ist ein Sound, der beunruhigt, unter die Haut geht – und trotz aller Schwere eine eigentümliche Eingängigkeit besitzt. Was als Insiderwitz begann, wurde mit der Zeit zum Label für diesen unverwechselbaren Stil: stark produziert, intensiv progressiv und bewusst unvorhersehbar. Zu den wichtigsten Bands gehören nun eben die besprochenen Vildhjarta.
Für Uneingeweihte ist Thall mehr als ein Meme oder ein Riff-Stil – es ist die künstlerische DNA von Vildhjarta. Es ist der Klang tektonischer Platten, die sich unter zerbrochenen Melodien verschieben, von Schönheit, die unter Dissonanzen zerquetscht wird. Thall ist nicht nur ein akustisches Markenzeichen, sondern ein Kriegsruf für all jene, die in Verzerrung Klarheit und in Schmerz Poesie finden.
Mit ihrer neuesten Veröffentlichung definieren Vildhjarta die Grenzen des Progressive Metal erneut. Es definiert eine eigene Welt, die in Zeitlupe zusammenbricht; ein emotionales Schwarzes Loch, umhüllt von skandinavischer Mystik und existenzieller Angst. Und doch finden Fans inmitten dieses Chaos Trost, Sinn und eine seltsame Art von Frieden. Ein Zuhörer schreibt: "Ich bin auf der Suche nach Musik, die zu mir passt. Und als ich euch gefunden habe, wusste ich: Ihr seid genau das, wonach ich gesucht habe. Ein akustisches Labyrinth aus Verfall und Schönheit."
Das Album ist kompromisslos durchkomponiert und verzichtet zugunsten einer sich ständig weiterentwickelnden Architektur aus Riffs, Texturen und dissonanter Schönheit auf die typischen Strophe-Refrain-Strukturen. Jeder Track ist wie eine verfallende Kathedrale: komplex, feierlich und seltsam sakral. Das Eröffnungsstück «Byta ut alla stjärnor på himlen mot plustecken» ("Ersetze alle Sterne am Himmel durch Pluszeichen") gibt mit seinem surrealen Titel und seiner gebrochenen, schimmernden Atmosphäre den Ton an. Das definiert mehr einen Geisteszustand, als einfach nur progressive Musik.
Ein Fan fasst es so zusammen: "Das muss mein Album des Jahres werden..., das gesamte Thema, den Verstand an Nihilismus und Demenz zu verlieren, scheint im letzten Track seinen Höhepunkt zu erreichen. Wow."
Textlich ist das Album geradezu literarisch. Die komplett auf Schwedisch gesungenen Songs beschäftigen sich mit Verlust, Selbstzerstörung, Entfremdung und Sehnsucht und überzeugen durch ihre poetische Brillanz. Zeilen wie «ett djur uppfödd på lögner» (‘ein Tier, das mit Lügen aufgezogen wurde’) und «synapserna sjunger i gemensam kör» (‘die Synapsen singen in einem gemeinsamen Chor’) zeigen, dass die lyrische Tiefe der Band ihrer kompositorischen Ambition in nichts nachsteht. Wie ein weiterer Fan kommentiert: ‘Das ist genau das, was ich gebraucht habe, um meine Stimmung zu heben. Danke, Vildhjarta, dass ihr diese unglaubliche Musik geschaffen und mit der Welt geteilt habt.’
Keine Hintergrundmusik, sondern ein volles Eintauchen wir hier gefordert. Dies ist wirklich kein Album, das man nebenbei streamt, während man Multitasking betreibt. Es verlangt nach völliger Hingabe. Riffs tauchen auf und verschwinden wieder, Melodien flackern wie sterbende Sterne. «Röda läppar, söta äpplen» bietet einen kurzen Groove, der sich dann in unheimliche Stille auflöst. Die letzten Momente lösen sich nicht auf, sondern sie atmen aus.
"Im Vergleich dazu wirkt viel andere Musik plötzlich harmlos" schreibt ein weiterer Fan. In der Tat. Die Rückkehr von Vildhjarta ein Ritual. Dieses Album fühlt sich gefährlich an, wie etwas, das man nicht verstehen, aber fühlen sollte. Es ist die perfekte Mischung aus technischer Brillanz, emotionaler Tiefe und konzeptioneller Kühnheit. Ein neuer Massstab für Post Genre Metal. Nichts für schwache Nerven, aber für all jene, die die Sprache des Zusammenbruchs verstehen.
Lukas R.