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17. Juni 2025, Zürich - Komplex 457
By Tinu
Der Sommer hatte Zürich in seinen feuchten Klauen, und es war brütend heiss im Komplex, als sich die Jünger von King Diamond zur Messe versammelten. Es war anfangs 1990, als der dänische König zum letzten Mal die Schweiz im Rahmen der "Conspiracy Tour" besuchte und die Helvetier waren heiss auf die Rückkehr des (verlorenen) Kings. Mister Diamond oder besser gesagt Kim Bendix Petersen überliess dabei nichts dem Zufall und füllte den Raum der eher kleinen Bühne mit seiner grossen Kulisse komplett! Da stand, neben den beiden grossen Treppen, die sich links und rechts befanden, auch noch ein grosser Laufsteg über dem Drumset. Darunter verbarg sich ein schauriger Bau, aus welchem immer wieder Nebel entwich und so für die perfekte Umsetzung der Geschichte von Abigail sorgte.
Paradise Lost
Bevor der König seine Inszenierung unter das wartende Fussvolk bringen konnte, oblag es den Engländern von Paradise Lost, die Fans auf das Kommende einzustimmen. Was den Jungs eigentlich auch gut gelang, trotz der absolut bescheidenen Platzverhältnisse auf der Bühne. Dies hielt aber speziell Gitarrist Aaron Aedy nicht davon ab, sich in einen wahren Rausch zu spielen. Seine Schreie, wie auch seine sehr aktive Performance blieben nicht verborgen. Die Gothic Dark Metaller vermochten die Fans aus einem grossen Fundus an Songs auf ihre Seite zu ziehen und hatten mit Nick Holmes einen gewieften Sänger, der durch seine jahrelange Erfahrung genau wusste, wie man die Besucher bei Laune hält. Auch wenn die Stimmung beim King dann um ein Vielfaches besser war, holte sich die altgediente Truppe ihren verdienten Applaus nach der Show beim Publikum ab. Dies obwohl die Jungs mehr oder weniger immer im Dunklen standen und man gerade noch knapp ihre Silhouetten erkennen konnte. Eigentlich war nur zu erahnen, dass die Band auf der Bühne stand und nicht noch die Crew!
Setliste: «Enchantment» - «The Enemy» - «No Hope In Sight» - «Pity The Sadness» - «Faith Divides Us - Death Unites Us» - «The Last Time» - «Ghosts» - «Embers Fire» - «Say Just Words»
King Diamond
Was danach folgte, war sehr wahrscheinlich das Konzert des Jahres für mich. Schon auf dem "Sweden Rock Festival" hinterliessen der King (Gesang), Andy LaRocque (Gitarre), Mike Wead (Gitarre), Pontus Egberg (Bass), Matt Thompson (Drums) und Hel Pyre (Gesang, Keyboard) einen sensationellen Eindruck. Klar, die Bühne dort war um ein Vielfaches grösser, aber die Intensität, welche der König und sein Ensemble im Komplex aufs Parkett legten, suchte seinesgleichen. Mit einem wundervollen Querschnitt durch sein musikalisches Schaffen und einer bestens aufgelegten Begleitband liess es sich Mister Diamond nicht nehmen, seine Mitmusiker immer wieder auf den Arm zu nehmen und trotz seiner Erhabenheit eine sehr dankbare Performance auf die Bühne zu legen. King stieg mit dem Erdolchen des Babys von Abigail in die Show ein, welches er dann in einen hölzernen Sarg legte.
Die Opener «Arrival» und «A Mansion In Darkness» erfolgten furios und zeigten, mit welcher Hingabe Mike und Andy noch immer ihre Gitarren-Parts spielen. Die "Lady" hatte zudem gleich zu Beginn ihren Auftritt, als sie mit einer alten Hängelampe sich den Weg durch die Band auf eine der Treppen suchte. Als King vor «Halloween» seine Band vorstellte, wurde speziell Mister LaRocque mit lauten "Andy" Rufen vom Publikum begrüsst. Mehr als 35 Jahre (!) waren seit dem letzten Auftritt im Volkshaus vergangen, und die Fans reagierten "ausgehungert und wild" auf die Band mit ihren Protagonisten. Dies zementierte ein Zuschauer, als er die Ansage von King mit einem lauten "Yeah!" unterstrich und der König dies wiederum mit einem lächelnden "Shut up!" abwürgte. Mit «Voodoo» spielte die Truppe sicherlich eine Nummer, die für viele überraschend im Set auftauchte, aber gleichzeitig aufzeigte, dass alles was die Band bisher veröffentlichte, irgendwie zusammengehört.
Dabei tauchte die "Lady" ziemlich verwirrt und wie von Geisterhand gelenkt wieder auf der Bühne auf und trug in ihrem Gesichtsausdruck den blanken Horror mit sich. Sie war es auch, welche bei «Spider Lilly» mit weissen Rosen auf der Bühne stand und diesen, wie in Trance, die Blüten abbiss, oder bei «Two Little Girls», als sie die beiden Mädchen (Puppen) zusammen spielen liess, was zu einem teuflischen Ende führte. Ganz am Schluss stand sie bei «Abigail» mit zusammengebundenen Händen auf der Bühne oder mit der eisernen Gesichtsmaske war sie bei «Masquerade Of Madness» zu sehen. Dieser bisher nur auf Vinyl veröffentlichte Song ist ein Vorbote auf das hoffentlich bald erscheinende, neue Studio-Album und beinhaltete alles, was man sich von einem King Diamond Song wünscht. Härte, Melodie, vertrackte Riffs und einen sensationellen Chorus.
Was natürlich nicht fehlen durfte, war die Grossmutter, welche ihren Auftritt bei «Welcome Home» hatte und das Komplex in einen Falsett-artigen «…let me help you, out oft he chair…» Chor verwandelte. Man liebt oder hasst den King für seine Stimme, aber in meinen Augen passt sie perfekt zur Musik und zur Inszenierung der Lieder. Die Fan-Chöre waren auch beim Refrain von «Sleepless Nights» deutlich zu vernehmen. Hier hörte sich das Ganze wie ein Rudel aufheulender Wölfe an, welche nicht den Mond, sondern King Diamond anbeteten. Nach «The Candle» hatte der Frontmann das Komplex definitiv für sich vereinnahmt. Die lauten "King" Rufe manifestierten die nach wie vor herrschende Machtstellung des Wahl-Amerikaners. Seine grosse Dankbarkeit mündete darin, dass sich der König vor seinem Volk verneigte. Die Band spielte sich währenddessen in einen wahren Rausch, genoss das Konzert sichtlich, und die strahlenden wie grinsenden Gesichter der Musiker füllten Bücher mit ihren Emotionen.
Pontus ist und bleibt ein kleiner Derwisch auf der Bühne. Auch wenn er kaum Platz hatte, bangte er ständig, poste wie ein Gott und grinste sich den Wolf über die Reaktionen der Fans. Matt spielte eine unglaublich donnernde Bassdrum und erinnerte mit seinen Beckenspiel bei «Welcome Home» an Mikkey Dee (heute Scorpions) und seine virtuose Art. Hel stand eher im Hintergrund, unterstütze den König aber bestens beim Gesang und klimperte immer wieder auf ihren schwarzen wie weissen Tasten herum. Wie schon angetönt, war es das Gitarren-Duo um Mike und Andy, welche beide grossartig aufspielten und die komplexen Riffs wie Solos mit einer leidenschaftlichen Leichtigkeit spielten, dass es eine wahre Freude war, ihnen zuzuhören und zuzusehen. Tja und der King selbst, er ist und bleibt eine Klasse für sich, wie er die Songs mit seiner Theatralik immer wieder zum Leben erweckt, mit seinem Knochen-Mikrofonständer "Gitarre spielt" und viele Besucher an ihre Zeit zurückerinnert, als sie damals im Kinderzimmer vor dem Spiegel das Tennis-Racket des Vaters zur imaginären Klampfe umwandelten.
Gesanglich befindet sich der mittlerweile 69-jährige Shouter noch immer in bester Verfassung. Mit «Eye Of The Witch» und «Burn» wurde der offizielle Part der Show beendet. King und seine Gefolgschaft liessen lange auf sich warten, was aber auch an den tropischen Verhältnissen im Komplex gelegen haben dürfte. Mit einer furiosen Abschluss-Nummer («Abigail») beendeten die Jungs ihren Gig und hinterliessen nur zufriedene und glückliche Fans. Sie feierten ihren König, und dies liess den Shouter minutenlang nach dem Verklingen des Outros «Insanity» auf der Bühne verharren. Er genoss die Stimmung und die Dankbarkeit der Fans sichtlich. Er badete förmlich in dieser von Sympathie getränkten Euphorie und bedankte sich mit "…thank you so much…". Fast demütig verneigte sich der Sänger ein letztes Mal und verliess dann die Bühne. Es war eine Stimmung, die ich auf diese Art bisher noch nie erlebte, zumindest bei mir unter die Haut ging und ich so schnell nicht vergessen werde. Danke für einen unglaublichen Abend mit grandioser Musik, begleitet von einer theatralischen wie schaurigen Inszenierung, die man künftig, heisst bei uns in der Schweiz, vielleicht nie mehr sehen wird!
Setliste: «Funeral» - «Arrival (Intro)» - «A Mansion In Darkness» - «Halloween» - «Voodoo» - «Them (Intro)» - «Spider Lilly» - «Two Little Girls (Intro)» - «Sleepless Nights» - «Out From The Asylum (Intro)» - «Welcome Home» - «The Invisible Guest» - «The Candle» - «Masquerade In Madness» - «Eye Of The Witch» - «Burn» -- «Abigail» - «Insanity (Outro)»