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Nach drei Jahrzehnten kontinuierlicher Wandlung präsentiert sich AFI mit ihrem zwölften Studioalbum «Silver Bleeds the Black Sun…» erneut als Band, die nicht mehr ganz jung ist – und das hört man.
Ihre Geschichte reicht von den feurigen Hardcore-Wurzeln der 90er bis zum cineastischen Alternative Rock. Auf diesem Album tritt eine düstere Gothic-Ästhetik in den Vordergrund, die einerseits reizvoll und stimmig ist, andererseits aber auch Assoziationen von zu Altvertrautem und leiser Skepsis in mir weckt.
Mit dem ersten Nachhall von «The Bird of Prey“ entsteht eine Atmosphäre aus Schatten und Ehrfurcht. Die Klangflächen sind weit gespannt: Glitzernde 12-saitige Gitarren schweben über hallenden Trommeln und Davey Havoks theatralisch angehauchte Stimme schwankt zwischen Flüstern und pathetischem Ausbruch. Die Düsternis hat etwas Majestätisches und erinnert an frühere Höhepunkte wie «Sing the Sorrow», doch diesmal ist sie durch eine Brille von Post-Punk-Eleganz und Darkwave-Romantik durchleuchtet, die mir manchmal ein wenig zu sehr auf eine nostalgische Stilklischee-Schiene zusteuert.
Die Lead-Single «Behind the Clock» ist einer der stärksten Momente, da sie das Gleichgewicht zwischen Bedrohung und eingängiger Melodie hält. Jade Pugets Gitarrenlinien winden sich zwischen kantigen Riffs und hellen Akkorden, während Havok eine seiner geheimnisvolleren Gesangsdarbietungen hinlegt. Man hört Einflüsse von Bauhaus oder The Cure – das ist bei diesem Stil durchaus zu erwarten. Doch gleichzeitig fragt man sich, wie viel Eigenständigkeit noch verblieben ist.
Stücke wie «Holy Visions» oder «Ash Speck in a Green Eye» pulsieren mit einem Hauch von synthgetriebener Melancholie. Sie erinnern deutlich an die grossen Namen des Gothic- und Post-Punk-Universums, wirken aber manchmal eher wie Hommagen als wie mutige Neuerfindungen. Der Übergang von bekannten Klangmustern zu etwas wirklich Neuem gelingt nicht immer gleichmässig.
Im weiteren Verlauf des Albums lockert sich die Stimmung gelegentlich durch Momente, in denen die punkigen Wurzeln der Band durchscheinen. Das Finale «Nooneunderground» rüttelt mit ungezügeltem Impuls daran, dass AFI ihre Herkunft nicht vergessen haben – ein schroffes, kraftvolles Schlussstatement aber leider kein neues «Miss Murder».
«Silver Bleeds the Black Sun …» ist ein in sich stimmiges Werk mit klarer Vision – eine elegante, dunkle Reise durch gotische Klangräume.
Und ja, die Musik überzeugt in vielen Momenten durchaus. Bei aller Bewunderung bleibt jedoch das Empfinden, dass hier erfahrene Musiker mit grossem Stil arbeiten, die nicht mehr so eifrig sind wie einst, und dass ein bisschen Nostalgie mitschwingt. Wer den Stil liebt, wird hier etwas entdecken, wer jedoch mehr Abenteuer oder Überraschungslust sucht, könnte mitunter etwas Flaches oder Vorhersehbares spüren.
Lukas R![]()