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PROPAGANDHI! - Was war ich doch überrascht, als ich ihr Album «At Peace» auf dem Tisch hatte, denn ich wusste nicht, dass diese Band überhaupt noch existiert. Das 93er Debüt «How To Clean Everything» zierte mein CD-Regal mit Genre-Bands wie Millencolin, No Fun At All, Refused, NOFX und vielen anderen. Es war die Zeit des Fun-Punks!
Dieser Hype hielt in Europa ein paar Jahre an, und Green Day sind wohl heute die berühmtesten Vertreter dieser Zeit. Propagandhi, aus dem kanadischen Winnipeg stammend, wollten in den 80er-Jahren eine Thrash Metal Band sein, wie Kreator, Voivod oder Celtic Frost. Das «Suffer» Album von Bad Religion, das wie Motörhead meets The Ramones klingt, wurde schliesslich zu ihrer heutigen DNA. Für Gitarrist und Sänger Chris Hannah ist das achte Album «At Peace» intelligente Musik für gefährliche Zeiten. Es spiegelt inhaltlich mehr Verzweiflung wider als vor dreissig Jahren, als noch der bissige Skatepunk die treibende Kraft war.
Die dreizehn Songs wurden geschrieben und aufgenommen, als sich die politischen Gewitterwolken in den Monaten vor der Macht-Übernahme Trumps zu verdunkeln begannen. «At Peace» ist eine Platte mit poetischen und polemischen Songs. Das apokryphe «Fire Season» nimmt die Waldbrände vorweg, die Teile Südkaliforniens auslöschten. Vom eröffnenden Klargesang von «Guiding Light» bis zum beschwörenden Titeltrack lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass Propagandhis sozialer Aktivismus auf ihrem ersten Album seit acht Jahren von einem tieferen Sinn für Reflexion abgelöst wurde.
Das Album, das in den "Blasting Room Studios" von Jason Livermore (Rise Against, Hot Water Music) abgemischt wurde, ist ein Porträt der Andersartigkeit, mit der die vier Mitglieder Hannah, Schlagzeuger Jord Samolesky, Bassist/Co-Sänger Todd Kowalski und Gitarristin Sulynn Hago durchs Leben gehen. Schon in der Hochphase der Skatepunk-Kultur hat die Band nie so recht zum restlichen Kuchen gepasst, sondern immer gegen die musikalischen Grenzen des Punks und den Konservatismus des Bro-Punks gekämpft. Seit «Supporting Caste» (2009) haben sich Propagandhi musikalisch stets weiterentwickelt und die Mischung aus Hardcore, Punk und Tech-Metal ist nun einem reflektierteren Ansatz gewichen, gemildert durch eine unterschwellige Unruhe.
Songs wie «God Of Avarice» oder «Stargazing» bringen moderne Klanglandschaften auf den Punkt, und der Vergangenheit wird mit dunklem Humor und schlitzohrigen Einfällen wie «Cat Guy» gehuldigt. Die Welt hat sich aber definitiv so weit gedreht, dass oberflächlicher und prinzipienloser Punk à la Blink182 passé ist. Tierrechte, Veganismus und Feminismus sind jetzt Mainstream-Themen, und die täglichen Nachrichten setzen uns schonungslos den Realitäten eines neuen Autoritarismus aus. Propagandhi waren immer relevant, die meisten haben nur nicht zugehört!
Oliver H.