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Metal Factory since 1999
Musikalisch bin ich diese Woche tief in meiner Jugend verwurzelt, denn alles, was momentan in meiner Cloud landet, nahm in den frühen 90ern ihren Anfang. So auch die finnischen Waldgeister WALTARI. Ihre Alben «torcha!» (1992), «So Fine!» (1994), «Big Bang» (1995) und das irre «Yeah! Yeah! Die! Die! Death Metal Symphony in Deep C» (1996) eröffneten mir seinerzeit ganz neue Klangwelten.
Was also allgemein als Crossover beschrieben wird, trifft den Nagel nicht annähernd auf den Kopf, heisst der Freigeist Metal müsste erfunden werden, denn Waltari waren noch nie eine Band, die sich an Regeln gehalten haben. Die verrückten Finnen legen einen Humor an den Tag, der vielen Metal-Bands abgeht. Mit «Nations' Neurosis» beweisen sie einmal mehr, dass ihre charakteristische Mischung aus musikalischer Freiheit, mutigen Experimenten und ungefiltertem Ausdruck aktueller denn je ist. Das Herzstück dieses Klang-Experiments ist und bleibt Mastermind wie Gründervater Kärtsy Hatakka.
Der Pumuckl des schrägen Metals, der für Lead- und Backing-Vocals, Bass, Programmierung, Keyboards und Perkussion zuständig ist, hatte während der Entstehung zu diesem Album mit einem persönlichen Sturm zu kämpfen, denn er verlor seine Mutter und erlebte, wie die Welt immer tiefer in Chaos und Spaltung versank. Frustration und emotionale Aufruhr sickern somit in jede Note von «Nations' Neurosis», obwohl das wegen der typischen Waltari-Mania nicht immer zu hören ist. Mit neuer Besetzung, darunter die Gitarristen Eero Nykänen und Jakke Setälä sowie Schlagzeuger Ville Vehviläinen, finden Waltari zu neuer Energie und einem revitalisierten Sound.
Die neuen Mitglieder haben die musikalische Ideologie der Band in beeindruckende Höhen geführt und liefern nun fünzehn Songs ab, die sowohl roh als auch raffiniert, aggressiv und doch melodisch sind. Ein starker Beweis für den Innovations-Geist des Vierers (hätte auch ohne die Sprechgesang- und Hip-Hop-Einlagen funktioniert). Das thrashige «Kill For Sport» driftet ab, in rockig wie poppige Gefilde geht es hingegen mit «Sun» und «Major Mistake», während das ironische, DJ-Bobo mässige «Higher», Kämpfe mit Cyberpunk-Tracks vom Schlag «Do You Accept» oder Industrial angehauchtem «Murder Plot» austrägt.
Am überzeugendsten sind Waltari, einfach gesagt, wenn sie metallisch-locker-poppig-groovend aus der Hüfte schiessen und Hatakkas charakteristische Stimme über allen Klängen thront. Von den Anfängen in Zeiten des "feeling so fine" bis hin zur Gegenwart bleibt sich die Truppe der Vielfalt und grenzenlosen Kreativität verpflichtet. «Nations' Neurosis» ist ein klangliches Statement gegen die von Konflikten besessene Welt. Es ist ein Aufruf, sich aus der Asche zu erheben und niemals die Augen gegenüber denen zu verschliessen, die in Not sind. Mit diesem Werk erheben Waltari ihre Stimme gegen den irdischen Wahnsinn.
Oliver H.