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Was FEVERSEA auf «Man Under Erasure» präsentieren, ist nicht nur ein Debüt, sondern eine ästhetische Hypothese, geschmiedet aus Verzerrung und Stille. Das Album wirkt wie eine langsame tektonische Platten-Verschiebung: gemächlich, monumental und unumkehrbar. Es ist aufgebaut aus Schichten von Widersprüchen, ergänzt um Wut und Zurückhaltung, Melodie und Dissonanz, Ritual und Chaos, sprich verzichtet auf traditionelle Metal-Klischees zugunsten einer emotionalen Topografie.
Musikalisch entfaltet es sich eher als eine Reihe von immersiven Sätzen, denn als einzelne Songs. Der Opener «Man Under Erasure» fungiert als Ouvertüre, ein schwach beleuchteter Ambient-Swell, der einen Ton existenzieller Unruhe angibt. Doch erst «Murmur Within the Skull Of God» löst den ersten grossen Moment der Katharsis aus: heruntergestimmte, sludge-lastige Riffs reiben sich an hallenden Percussions, während Tremolo-Gitarren kurze, schimmernde Pfade durch den Schlamm bahnen. Das ist massiv, aber niemals aufgebläht.
Auf dem gesamten Werk beweisen Feversea ein ausgeprägtes Gespür für dynamische Kontraste. «New Creatures Replace Our Names» bewegt sich wie unser Cambrena-Gletscher: Kriechende Akkorde, körperlose Vocals und plötzliche harmonische Ausbrüche, als würde Shoegaze durch schwarzen Schlamm waten. Da ist für mich auch einiges and Doom drin. Bis «Decider» einsetzt, hat die Band ihre Palette erweitert: Palm-Muted-Gitarren und rituelle Drum-Patterns erzeugen eine traurige Spannung, die sich nie ganz auflöst, sondern in Dampf zerfliesst.
Der Gesang, der zwischen klaren und rauen Stilen variiert, besticht nicht durch seine Dualität, sondern dadurch, wie er die Kernthemen des Ganzen untermalt. Es gibt hier keine "Die Schöne und das Biest" Formel. Stattdessen taucht der Gesang wie verlorene Übertragungen auf: mal geflüstert, mal gebrüllt, immer halb unter Klangschlamm begraben. Ada Lønne Emberlands Vortrag ist gespenstisch, aber nie distanziert, heisst ein unruhiger Geist, der an lyrische Parabeln über Identität und Auslöschung gebunden ist.
Bei «Sunkindling» kriege ich irgendwie den Vibe eines "Gute Nacht" Liedes, aber wohl eher für eine traumdurchzogene, sehr dunkle Nacht. Eine wo, die Monster im Schrank und unter dem Bett weilen und einen beobachten. «Invocation» und «Until It Goes Away» zeigen die strukturelle Finesse der Band. Ersteres simuliert einen Abstieg: Ritualisierte Wiederholungen steigern sich zu einem Zeitlupenkollaps, während Letzteres mit aufgestauter Dringlichkeit hervorbricht. Kantige Riffs, asymmetrisches Tempo und eine wilde Gesangslinie die sich anfühlt, als würde eine nie verheilte Wunde aufgerissen.
Etwas nach der Mitte von «Until It Goes Away» fällt ein Moment auf, in dem der gesamte Rhythmus zerfällt und der Track in filmische Abstraktion übergeht, um sich dann in einem donnernden Angriff der gesamten Band wieder zu vereinen. Auf technischer Ebene verweben Isak Lønne Emberland und Alexander Lange mit ihren Gitarren ein dichtes Geflecht aus Melodie und Drone. Es gibt keine Soli, sondern nur texturale Einfälle: Akkorde, die nicht der Harmonie dienen, sondern Gewicht, Reibung und spirituellem Verfall.
Die von Solbergs einhüllendem Bass und Malezieux' räumlichem Schlagzeug angeführte Rhythmus-Gruppe verankert alles mit ritueller Präzision. Immer vorwärtsstrebend, selbst wenn sie still zu stehen scheint. Das abschliessende «Kindred Spirit» fungiert als Zusammenfassung und Bruch: Ein fast neunminütiger Abstieg in die Leere, bei dem Klang-Motive aus früheren Tracks wieder aufgegriffen, aber weiter verdreht werden, darunter Ambient-Zwischenspiele, Post-Rock-Anklänge und kehlige Growls über vielschichtigen Tremolo-Riffs. Es ist der Klang eines Monuments, das gleichzeitig errichtet und erodiert wird. Bin ich Fan? Ja ganz klar.
Lukas R.